Fehlleistung

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Keyword: Fehlleistung

Links: > Abwehrmechanismen > Komplex > Unbewusstes

Definition: Fehlleistungen sind – meist geringfügige und unsystematische – Störungen in Handlungen und psychischen Prozessen, z. B. Vergessen, Versprechen, Verhören, Verkennen, Vergreifen, Verlegen, falsche Erinnerungen, Pannen, Missgeschicke, kleine Unfälle. Die Mehrzahl dieser alltäglichen Störungen (z. B. Rechenfehler in der Buchhaltung, Tippfehler im Sekretariat, Blackout beim Stress in der Prüfung) sind Ausdruck von Ablenkung, Konzentrationsstörungen, Überforderung, Stress, Ermüdung, Krankheit etc. und von eher belangloser unbewusster Motivation.

Information: Nach S. Freuds Auffassung hingegen sind Fehlleistungen fast ausschließlich unbewusst determiniert und gesteuert. Unbewusste oder unterdrückte Inhalte, Impulse, Motive, Wünsche, Konflikte (> Konflikt) und Komplexe (> Komplex), die verborgen gehalten werden sollen, verschaffen sich durch die Fehlleistung – ähnlich wie bei Träumen und psychischen Symptomen – Zugang zum Bewusstsein und zum Verhalten. Die oben beschriebenen Stressfaktoren hatten für Freud nur einen hilfsweisen, unterstützenden Anteil, indem sie die Fehlleistung und das Durchbrechen des unbewussten Motivs erleichtern. Der Grund für diese strikte Haltung lag in Freuds Theorie von der prinzipiellen Determiniertheit (> Determinismus) aller psychischen Vorgänge, in der Zufälle und physiologische Störungs-Zusammenhänge wenig Raum fanden.

Kritisch lässt sich in diesem Determinismus eine Überbewertung des Psychischen und eine Unterbewertung bzw. Verleugnung körperlicher und sozialer Faktoren auf das seelische Geschehen sehen. Auch wenn bei Fehlleistungen, die unbewusst motiviert sind, das dahinter stehende Motiv offensichtlich zu sein scheint – zumindest für die Außenstehenden -, so ist doch bei der > Analyse einer Fehlleistung immer – wie bei jeder > Deutung – der äußere und innere > Kontext des Betreffenden, z. B. seine Assoziationen (> Assoziation) oder die zu diesem Zeitpunkt konstellierte Beziehungsdynamik (> Übertragung/Gegenübertragung) zu berücksichtigen. So ist es beispielsweise auch denkbar, dass eine Fehlleistung Ausdruck einer projektiven Identifikation (> Identifikation, projektive) ist, durch die der Fehlleistende die Spannungen und Konflikte seiner Umwelt und seiner Beziehungspersonen stellvertretend ausdrückt, oder dass sich in ihr eine schöpferisch-finale Qualität (> Finalität) zeigt.

Literatur: Brenner, C. (1967): Grundzüge der Psychoanalyse; Freud, S. (1901): Zur Psychopathologie des Alltagslebens. GW 4; Köhler, T. (2002): Fehlleistung.

Autor: L. Müller