Säuglingsbeobachtung
Keyword: Säuglingsbeobachtung
Links: > Entwicklungspsychologie > Kindheit, Phasen der > Säuglingsforschung
Definition: Die psychoanalytische Säuglingsbeobachtung ist 1948 von Esther Bick an der Londoner Tavistockklinik als fester Bestandteil der analytischen Ausbildung ins Leben gerufen worden. Davor ist die > Psychoanalyse in ihren Theorien der frühkindlichen Entwicklung von Rekonstruktionen aus der Erwachsenenanalyse ausgegangen. In dieser Vorgehensweise liegt die Gefahr, dass Pathologien des Erwachsenen auf den Säugling projiziert werden (Adultomorphismus, Pathomorphismus). Die direkte Beobachtung von Müttern und Kleinkindern in ihrer frühesten Wechselbeziehung ist für die Erforschung der Anfänge des psychischen Lebens mit Beginn der > Ich-Psychologie immer wichtiger geworden. Ihre Pioniere sind A. Freud, R. Spitz, J. Bowlby (> Bindung).
Information: Durch die Säuglingsbeobachtung wird ein vollkommen neues Konstrukt des Säuglings formuliert: Der "orale und omnipotente Säugling" wird vom "kompetenten Säugling" (Dornes, 1993) abgelöst. In der Säuglingsbeobachtung werden die Grundmuster der frühen Interaktion zwischen Mutter-Kind und Vater-Kind (> Eltern > Urbeziehung), sowie deren Triangulierungsmöglichkeiten (> Triade / Triangulierung) in wöchentlichen Sitzungen beobachtet. Die direkte Beobachtung und Einfühlung ermöglicht den Zugang zur inneren Welt des Kindes und gibt uns ein neues Verständnis für das Selbsterleben des Säuglings. Die Beobachtung wird protokolliert und in einem begleitenden Seminar ausgewertet. In der Beobachterrolle wird das Containment (> Container/Contained) als zentrale Fähigkeit in der Ausbildung zum analytischen Psychotherapeuten gelernt. Gemeint ist damit das Aufnehmen chaotischer, unstrukturierter Gefühlszustände, Ängste und > Aggressionen im Anderen, sowie die Fähigkeit, diese miterleben, aushalten und ihnen eine Bedeutung geben zu können. (> Empathie > Resonanz) Die Säuglingsbeobachtung ist eine effektive Methode, um mit analytischem Beobachten, Denken und Handeln vertraut zu werden. Sie ist in nahezu allen Ausbildungsinstituten ein fester Bestandteil der Ausbildung.
Keine
Literatur: Dornes, M. (1993): Der kompetente Säugling; Jacoby, M. (1998): Grundformen seelischer Austauschprozesse; Lazar, R. A. (1986), Die psychoanalytische Beobachtung von Babys innerhalb der Familie; Stern, D. N. (1992): Die Lebenserfahrung des Säuglings.
Autor: M. Leibig