Zahl

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Keyword:Zahl

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Definition:Die Zahl - die indogermanische Wurzel des Begriffs bedeutet spalten, kerben, schnitzen, behauen, Zahl also eigentlich Eingekerbtes oder Einschnitt - scheint entstanden aus der elementaren Tätigkeit des Zählens und Anordnens von Gegenständen. Komplizierter werdende Rechenoperationen haben dann zur Erweiterung des Zahlenbegriffs über die natürlichen Zahlen hinaus zu den negativen, ganzen, rationalen, irrationalen, reelen, imaginären und komplexen Zahlen geführt. Das Denken in Zahlen ist eines der bedeutsamsten und zugleich wundersamsten Phänomene des menschlichen Geistes. Das Wesen der Zahl hat Philosophen, Wissenschaftler, Mathematiker, Visionäre aller Zeiten und Kulturen beschäftigt. In allen Völkern gibt es eine Zahlensymbolik (> Symbol), Glückszahlen und heilige Zahlen. Der Philosoph und Mathematiker Pythagoras hat sich im 6. Jh. v. Chr. als einer der ersten Mathematiker mit dem Wesen der Zahlen beschäftigt und in ihnen die Prinzipien des Seienden gesehen. Mit den Zahlen können die Proportionen der Dinge der Welt und damit ihre Ordnung und ihre Harmonie erfasst werden. Sie können die Harmonie der Welt abbilden. Pythagoras verwendet den Begriff des Kosmos, um die Harmonie und Ordnung der Welt zu bezeichnen.]] > [[Musik kann vor diesem pythagoräischen Hintergrund auch als Zahlenkunstwerk verstanden werden.

Information:Die Zahl eröffnet ungeahnte und ohne sie nicht zugängliche Perspektiven, wie das unendlich Kleine und unendlich Große. Sie ermöglicht die empirischen Wissenschaften und die Technik, sie symbolisiert zentrale Aspekte des Geistes, der Psyche und der Materie. Inzwischen scheint das archetypische]] > [[Gottesbild in die Zahl eingewandert, etwa in Wirtschaft und Forschung, sie ordnen die Welt und machen sie im Guten wie im Schlimmen überschaubar und kalkulierbar: "Was sagen die Zahlen?" und "Rechnet es sich?" lauten oft gestellte Fragen. Zahlen sind Ausgangspunkte des praktischen Denkens und Weiterdenkens, sie können dazu beitragen, das > [[Bewusstsein für eine Situation und deren mögliche Veränderung zu erweitern.

C. G. Jung hat sich mit dem Wesen der Zahlen und der Zahlensymbolik immer wieder beschäftigt. Die Zahl als ordnender und Übersicht und Struktur gebender Faktor wird nicht nur inhaltlich, sondern auch als formgebend in seine Theorien und Modelle eingearbeitet (> Mandala > Polarität > Synthese > Quaternität). Eine systematische Betrachtung des Phänomens der Zahl unter der Perspektive der Analytischen Psychologie hat M. L. v. Franz (1990]]) vorgelegt.

Jung versteht die Zahl als > Archetyp der Ordnung. Wie Archetypen seien Zahlen "subjektive psychische Phänomene", die "objektive Existenz besitzen". (vgl. Jung, Briefe 3, S. 234]]). Zahlen seien "vorgefundene Urgedanken Gottes": "Gott und die Zahl als Archetypus der Ordnung gehören zusammen. Die Zahl liegt wie der Sinn im Wesen aller Dinge als Ausdruck der in der Erscheinung aufgegangenen Gottheit." (vgl. Jung, Briefe 3, S. 29]])

Das Merkwürdigste der Zahl ist, dass sie nicht empirisch gefunden worden ist, sondern im Geist des Menschen auftaucht (> Logos-Prinzip). Das ist eigentlich das Wunder schlechthin: Ein im Geist des Menschen entstandenes Phänomen ist ein entscheidendes Werkzeug für die Handhabung und Beherrschung der Welt und ermöglicht die Erkenntnis der Welt bis ins unendlich Kleine und bis in die Welt der unendlich großen und entfernten Galaxien. Innen und Außen korrespondieren in der Zahl vollständig, eine Tatsache, die Jung mit dem > Unus Mundus oder Mundus Archetypus beschrieben hat. "Zahlen sind erfunden und zugleich als Naturtatsachen entdeckt, wie alle echten Archetypen." (Jung, Briefe 3, S. 13) Es gibt keinen Bereich im Menschen und im Kosmos, der nicht mit Zahlen wenigstens beschrieben, wenn nicht völlig geordnet werden kann.

M. -L. v. Franz hat in ihrem zitierten Werk die Struktur der ersten vier Zahlen umfangreich dargestellt und analysiert. "Die Zahl als Zeit bedingte unterscheidbare Qualität eines Einskontinuums, die Zwei als ein Symmetrie und dadurch beobachtbare Rhythmen erzeugender Rhythmus des Einskontinuums, die Drei als Rhythmuskonfiguration von prozesshaften Aktualisationen im menschlichen Bewusstsein und in der Körperwelt und die Vier als Ganzheitsmodell des Einskontinuums in den relativ geschlossenen Strukturen im menschlichen Bewusstsein und in der Körperwelt." (v. Franz, 1990]])

Es gibt aber noch viele weitere Bezüge zur Zahl in der Analytischen Psychologie: etwa in den Betrachtungen zur]] > Alchemie (> Alchemie, Phasen der > Axiom der Maria Prophetissa), Kabbala, zur Zahlensymbolik des jüdischen Alphabets, zum > I Ging. "Zusammenfassend scheinen die Zahlen eine Eigenschaft sowohl der Materie als auch eine unbewusste Basis unserer geistigen Orientierungsprozesse darzustellen. Aus diesem Grunde ist nach der Ansicht Jungs die Zahl dasjenige Element, welches geeignet erscheint, die Bereiche von Stoff und Psyche zu vereinigen. Sie ist in einem anderen Sinn 'real' als die Bilder, weil sie als Anzahl auch im Bereich der Außenwelterfahrung auftritt und dadurch eine Brücke schlägt zwischen dem physisch Erfassbaren und dem Imaginären." (v. Franz, 1990, S. 55]]) So zeigt die Bearbeitung des Phänomens Zahl in besonderer Weise die Weite und Reichweite der Konzepte der Analytischen Psychologie, insbesondere die des Archetyps.

Literatur:Betz, O. (1989]]): Das Geheimnis der Zahlen; Endres, F. C., Schimmel, A. (1992]]): Zahlensymbolik; Franz, M. -L. v. (1990]]): Zahl und Zeit.

Autor: T. Seifert