Numinoses: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Numinoses

Links: > Archetyp > Energie > Libido > Mana > Mystik > Religion

Definition: Numinoses (lat. numen: eine leichte, angedeutete Neigung des Kopfes, um einen Willen auszudrücken, ein Kopfnicken etwa, ein Wink mit dem Kopf; im übertragenen Sinn: göttlicher Wille, das Walten des Göttlichen, die wirkende Kraft des göttlichen Wesens) ist ein vom Religionswissenschaftler R. Otto geprägte Bezeichnung für das Heilige, für eine bewegende Erfahrung Gottes, den C. G. Jung aufgreift. Otto beschreibt, beeinflusst von Kant, Fichte und Schleiermacher, 1917 die Erfahrung des Heiligen als eine Erfahrung der Kraft und Ergriffenheit, eine Erfahrung der göttlichen Gewalt und des Ausgeliefertseins, eine Erfahrung des Schreckens, der Nichtigkeit und Ohnmacht. Für diese spezifisch bewegende Erfahrung Gottes bzw. des Heiligen verwendet er den Begriff numinos. Numinoses hat für Otto nichts Menschliches, nichts womit der Mensch sich verwandt erleben könnte, nichts, was dem Menschen in irgendeiner Form bekannt ist, nichts, was er selber erzeugen oder hervorbringen könnte. Wesen des Heiligen oder Numinosen ist ein Gefühl von einer ebenso geheimnisvollen, anziehenden wie fesselnden und überwältigenden Kraft oder Macht, die den Menschen erzittern, erbeben, erschauern lässt, in ihm Ehrfurcht erzeugt (mysterium tremendum) und ihn zugleich verzaubert wie behext, besessen macht (> Besessenheit), beglückt, verzückt, entrückt, in > Ekstase versetzt. (mysterium fascinosum).

Information: Jung verwendet die Begriffe des Numens, des Numinosen, des Numinosums oder der Numinosität wie auch die des Mysterium fascinosum und tremendum in diesem Sinne in seiner Auseinandersetzung mit der Wirkung des Archetypischen (> Archetyp), mit der Psychologie der Religionen (> Religion > Mana) und mit Phänomenen der Suggestibilität, etwa in Massenbewegungen oder in Synchronizitätserfahrungen (> Synchronizität). Die Begriffe scheinen ihm angemessen ausdrucksstark, um die Dynamik, die Kraft, die Energie, den archaisch-mythologischen und ergreifenden Charakter mancher Wirkungen des Unbewussten (> Unbewusstes), der Archetypen, des Symbols (> Symbol) oder auch der Komplexe (> Komplex) zu beschreiben und zu veranschaulichen. Numinosität sei der bewussten Willkür gänzlich entzogen, "denn sie versetzt das Subjekt in den Zustand der Ergriffenheit, das heißt der willenlosen Ergebenheit." (Jung, GW 8, § 383). Numinoses sei das Unbeherrschte im Menschen, formuliert er an anderer Stelle in Zusammenhang mit den Komplexen (vgl. Jung, GW 8, § 216). Je mehr sich Komplexe vom Bewusstsein entfernen, umso numinoser wirken sie. Er nennt diese numinose Energie oder Kraft auch die spezifische Ladung oder die energetische Aufladung von Inhalten aus dem Unbewussten, die sowohl positive wie negative Wirkungen entfalten kann. Zur Energie und Numinosität des Archetyp führt er aus: "Die Archetypen sind numinose Strukturelemente der Psyche und besitzen eine gewisse Selbstständigkeit und spezifische Energie, kraft welcher sie die ihnen passenden Inhalte des Bewusstseins anzuziehen vermögen." (vgl. Jung, GW 5, § 344) Und ".. dass der Archetypus numinosen Charakter besitzt: er wirkt faszinierend, er tritt in wirksamen Gegensatz zum Bewusstsein, ja er formt auf lange Sicht Schicksale durch unbewusste und erst viel später erkannte Beeinflussung unseres Denkens, Fühlens und Handelns. Man kann in der Tat vom urtümlichen Bilde.. sagen, dass es sich durchsetze, und zwar mit der bewussten Persönlichkeit, ohne oder gegen sie." Jung, (GW 5, § 467). Numinoses ist für Jung wegen seiner faszinierenden und erschütternden Kraft auch der Kern religiöser Erfahrung. Es handele sich beim Numinosen um eine Beschreibung dessen, was Religion eigentlich bedeute, "nämlich eine dynamische Existenz oder Wirkung, die nicht von einem Willkürakt verursacht wird. Im Gegenteil, die Wirkung ergreift und beherrscht das menschliche Subjekt, welches immer viel eher ihr Opfer denn ihr Schöpfer ist. Das Numinosum - was immer auch seine Ursache sein mag - ist eine Bedingung des Subjekts, die unabhängig ist von dessen Willen.. Das Numinosum ist entweder die Eigenschaft eines sichtbaren Objektes oder der Einfluss einer unsichtbaren Gegenwart, welche eine besondere Veränderung des Bewusstseins verursacht. Dies ist wenigstens allgemeine Regel." (Jung, GW 11, § 6)

keine

Literatur: Otto, R. (1917): Das Heilige.

Autor: A. Müller