Prä-Trans-Verwechslung: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Prä-Trans-Verwechslung
Links:> Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien > Desintegration > Integrale Psychologie > Integrative Psychologie/Psychotherapie > Integration > Regression > Transpersonale Psychologie
Definition: Die Prä-Trans-Verwechslung (lat. prä: vor, voraus; lat. trans: jenseits, über) ist eine von K. Wilber beschriebene Verwechslung von Bewusstseinsebenen. In seinem Schichten - und Ebenen-Modell der Bewusstseinsentwicklung (> Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien > Aqual-Modell) unterscheidet Wilber drei Hauptdimensionen des Bewusstseins: präpersonal, personal und transpersonal mit jeweils weiteren Unterstufen. In den verschiedenen psychologischen, philosophischen und wissenschaftlichen Systemen ist häufig eine Verwechslung dieser Ebenen der Bewusstseinsentwicklung zu beobachten, die von Wilber als PTW bezeichnet und beschrieben wird.
Wilber unterscheidet zwei hauptsächliche Formen der PTW: 1. Eine transpersonale, spirituelle, mystische, über das durchschnittliche Ich-Bewusstsein hinausgehende Erfahrung wird geleugnet, alle entsprechenden Phänomene werden als prärational, regressiv-infantil (> Regression), Es-Haft (> Es) oder gar als psychotisch (> Psychose) verstanden und darauf reduziert. Die daraus abgeleitete Weltanschauung ist der Auffassung, dass die Entwicklung des rationalen Ich-Bewusstseins die höchste Stufe der psychischen Entwicklung darstellt, wie sie sich u. a. in den klassischen Schulen der Psychiatrie und der > Psychoanalyse findet.
2. Bestimmte Aspekte des Präpersonalen werden mit dem Transpersonalen verwechselt. Präpersonale Phänomene und Bewusstseinszustände werden dadurch in einen transpersonalen Rang erhoben. Eine normale Ich-Entwicklung und Integration in das gesellschaftlich-politische Leben wird dabei eher als störend und hinderlich angesehen, als Fehlentwicklung. Das "Paradies" wird auf einen Zustand vor der Ich-Entwicklung projiziert. Regressionen in hypnotische Trancezustände, Kontakte mit Verstorbenen und Geistern, die Rückkehr zu natürlichen Urzuständen, der Kontakt zu mythischen Gottheiten und sonstige magisch-mythische Erfahrungen können nach Auffassung von Wilber zwar transpersonale Impulse bewirken, sie sind aber nicht per se transpersonal, sondern präpersonal. Bei manchen Autoren ( > Bewusstsein, archaisches > Mystik) , die ein mythisches Denken und Erleben unkritisch mit transpersonalen Erfahrungen gleichsetzen, findet sich nach Wilber eine solche PTW. Die Erfahrungen auf einer frühen Bewusstseinsstufe und die einer späteren Stufe können sich ähneln, sind aber nicht gleichzusetzen.
Information: Die Ich-Bewusstseins-Entwicklung ist für Wilber keine Entfremdung vom > Selbst, sondern eine wesentliche Etappe auf dem Wege der Selbst-Entfaltung und Selbst-Verwirklichung (> Ich-Selbst-Achse > Individuation > Selbst). Der negative, regressive "Ich-Tod" zurück in die magisch-mytische, präpersonale Phase ist für Wilber eine Auflösung und Desintegration des Ich-Bewusstseins, der progressive "Ich-Tod" ins transpersonale Bewusstsein hinein ist für ihn hingegen eine Transzendierung, Erweiterung und Relativierung des Ichs, nicht seine Zerstörung.
Entgegen einiger diesbezüglicher kritischer Bemerkungen von Ken Wilber über C. G. Jung hat dieser nie eine dauerhafte > Regression in prärationale und präpersonale Zustände als Ziel der > Individuation nahe gelegt, sondern vielmehr eine weitestgehende Bewusstwerdung mithilfe einer Ich- und Persönlichkeitsdifferenzierung angestrebt, die schließlich in einer schöpferischen Synthese bzw. dialogischen Beziehung von Ich-Bewusstsein und Selbst, von Bewusstem und Unbewusstem und in der Erfahrung der Einheitswirklichkeit gipfelt. Dieser Standpunkt wird besonders auch in seiner Diskussion der östlichen Philosophien deutlich (> Philosophie, östliche).
E. Neumann setzt sich schon sehr früh mit den differenzierten und undifferenzierten Aspekten der Mystik auseinander (Neumann, 1953) und unterscheidet die negativen Formen einer regressiven Mystik mit ihrer Ich-, Welt-Körper- Beziehungs- und Lebensfeindlichkeit von den progressiven und schöpferischen Formen. Hinter der regressiven Sehnsucht zurück zum Paradies einer Vor-Ich-Zeit sieht er den verschlingenden, zerstörerischen Aspekt des Mutter-Archetyps wirksam. Auch weist Neumann wiederholt auf die Problematik einer Reduktion des Transpersonalen auf das Personale hin (> Personalisierung, sekundäre). Das deckt sich weitgehend mit den Auffassungen Wilbers.
Literatur: Wilber, K. (1988): Die drei Augen der Erkenntnis; Wilber, K. (1996]]): Eros, Kosmos, Logos; Neumann, E. (1953 d): Der mystische Mensch.
Autor: L. Müller