Ethik: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Ethik

Links: > Böses > Ethik, neue > Ethik, therapeutische > Ethikleitlinien > Moral > Schatten > Schuldgefühl

Definition: Unter Ethik (griech. ethos: Gewohnheit, Sitte) wird allgemein eine sittliche Grundhaltung oder Gesinnung verstanden, die sich aus der Verantwortung gegenüber anderen herleitet. In der Philosophie meint es die Lehre vom sittlichen Wollen und Handeln des Menschen, seinen Werten und Rechtfertigungen in den unterschiedlichen Lebenssituationen.

Information: Die Geschichte der Ethik als philosophische Disziplin beginnt bei Sokrates und Platon mit der Frage nach der Lehrbarkeit von Tugend. Der Ursprung der menschlichen Ethik kann aber in der Zeit gesehen werden, in der Menschen angefangen haben, ihre Toten zu begraben, anstatt sie den Geiern zum Fraß liegen zu lassen. Diese Haltung, die eher einem natürlichen Gefühl, denn einem erlernten Gesetz entspringt und beispielhaft von dem griechischen Dichter Sophokles (496 – 406) in seinem Drama „Antigone“ bearbeitet worden ist, zeigt die > Ethik, das Gewissen und die > Moral als Grundbedürfnis in der Psyche des Menschen verankert. In seiner Auseinandersetzung mit dem Thema Ethik versucht C. G. Jung das natürliche ethische Gefühl und das ethische Gesetz miteinander zu verbinden. Er gelangt immer wieder zu der Auffassung, dass das Einhalten eines Moralkodexes, eines: „Du sollst nicht“ noch lange keine autonome ethische Entscheidung ist.

Zu vertiefter Selbsterkenntnis wie auch zur > Individuation gehören, dass ethische Konflikte entstehen bzw. bewusst werden. Gleichzeitig sind für Jung ohne eine vertiefte Kenntnis des Unbewussten (> Unbewusstes), ohne erweiterte Lebenserfahrung und größere > Bewusstheit , keine ethischen Entscheidungen wirklich möglich und tragfähig. Es sei keinesfalls so, dass eine Begegnung mit dem Unbewussten zu einer Lockerung der ethischen Haltung führe. Im Gegenteil, die Bewusstwerdung, um die es im Analytischen Prozess geht, ist „nichts Geringeres als eine direkte Provokation der ethischen Funktion“ (Jung, GW 16, § 315), die damit auch in den Mittelpunkt therapeutischer Aufmerksamkeit und therapeutischen Handelns (> Ethik, therapeutische) gerückt werden muss. Gewissenskonflikte und Pflichtenkollisionen fordern den ganzen Menschen und die schöpferische Kraft des Ethos sowohl im Therapeuten wie im Patienten. “Das Ethos ist ein besonderer Fall dessen, was wir als <<transzendente Funktion> (> Funktion, transzendente) bezeichnen, nämlich eine Auseinandersetzung und Kooperation bewusster und unbewusster Faktoren, in religiöser Sprache ausgedrückt: der Vernunft und der Gnade.“ (Jung, GW 10, § 855).

Sehr persönlich, mutig und leidenschaftlich setzt sich Jung in seiner Antwort auf Hiob (vgl. Jung, GW 11) mit der Frage der Verbindlichkeit einer Ethik, die Jahwe für sich selber nicht anerkennt, auseinander und sieht darin die „göttlichen Finsternisse“ Jahwes, die dunkle Seite, den > Schatten Gottes: „Gott hat einen furchtbaren Doppelaspekt [...] man kann Gott lieben und muss ihn fürchten“. (Jung, GW 11, § 733) In dieser Paradoxie (> Paradoxon/Paradoxie/Paradoxität) Gottes (> Gottesbild > Schatten, archetypischer) sieht Jung den Menschen in seiner Gegensätzlichkeit gespiegelt. Die Erfahrung dieser dunklen Seite Gottes ermöglicht die Bewusstwerdung des archetypisch Bösen (> Böses) und damit ist dem Menschen eine große Verantwortung gegeben. “Auf den Menschen kommt es nun an: ungeheure Macht der Zerstörung ist in seine Hand gegeben, und die Frage ist, ob er dem Willen, sie zu gebrauchen, widerstehen und ihn mit dem Geiste der Liebe und Weisheit bändigen kann“. (Jung, GW 11, § 745)

Literatur: Kohlberg, L. (1996): Die Psychologie der Moralentwicklung; Neumann, E. (1949 b): Tiefenpsychologie und neue Ethik; Varela, F. J. (1994): Ethisches Können.

Autor: T. Seifert