Jugendlichenpsychotherapie, analytische: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Jugendlichenpsychotherapie, analytische
Links: > Adoleszenz > Kinderpsychotherapie, analytische > Analytische Psychologie > Psychotherapie, analytische > Pubertät
Definition: Analytische Psychotherapie in der > Adoleszenz ist immer Therapie in einer oft sehr krisenhaften (> Krise) Umbruchs- und Übergangsphase. Die Therapie wird von Analytischen Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten bis zur Spätadoleszenz (bis etwa zum 20. Lebensjahr) durchgeführt. Oft erweist sich aber auch für Patienten in der Postadoleszenz, ab dem 20. Lebensjahr, die Jugendlichenpsychotherapie als das geeignete Verfahren und der Jugendlichenpsychotherapeut als der geeignete Therapeut, da psychische Krankheiten (> Neurose > Psychosomatik) in dieser Phase sehr häufig auf ungelöste Adoleszenz-Konflikte zurückgehen. In der Adoleszenz treten zu den typischen psychoneurotischen Entwicklungen der Kindheit und des Erwachsenenalters gehäuft Störungen auf, die mit der archetypischen Wandlungs-Situation und der damit belebten Todes- und Sinn-Krise der Heranwachsenden einhergehen (> Suizid > Wandlung).
Information: Die analytische Jugendlichenpsychotherapie ist entsprechend der sich heftig bewegenden inneren Dynamik (> Libido), in der sich die Jugendlichen befinden und der starken Tendenz, innere Konflikte (> Konflikt) zu inszenieren und zu agieren, häufig nicht nur von einem sehr dynamischen inneren Therapieprozess, sondern von einem, ebenso dynamischem äußeren, Ablauf begleitet.
Vor allem in den frühen Adoleszenzphasen (Prä-Adoleszenz ab etwa dem 10. Lebensjahr, Frühadoleszenz ab dem 12. bis zum 15. Lebensjahr) wenden sich Jugendliche angstvoll von allem Material ab, das normalerweise geeignet ist, Fantasien und Bilder aus dem Unbewussten (> Fantasie > Bild > Unbewusstes), Gestalt werden zu lassen - > Imagination, Gestalten, > Malen, > Sandspiel, > Spielen, Träume (> Traum). Ihre Ängste, Affekte (> Affekt), Emotionen (> Emotion), Fantasien und Gedanken dürfen nicht all zu bewusst und auch nicht öffentlich werden. Die therapeutische Beziehung (> Beziehung, therapeutische > Übertragung) ist hoher Ambivalenz ausgesetzt. Häufiger, als in allen anderen Altersgruppen, kommt es in der frühen Adoleszenz oft nur zu kurzen Therapien und auch zu Therapieabbrüchen (> Krise). Therapien sind hier meist nur einstündig möglich, manchmal auch als eher begleitende, tiefenpsychologisch fundierte Gespräche zu sehen, und somit nicht als eine analytische mit Regression, Widerstand und Übertragung arbeitende Therapie (> Analyse, > Psychotherapie, analytische > Psychotherapie, tiefenpsychologisch fundierte). Die Arbeit mit den Bezugspersonen der Jugendlichen (> Eltern > Familie), -in der Psychotherapie mit Kindern (> Kinderpsychotherapie) selbstverständlich-, ist manchmal nicht mehr möglich, oft auch wegen der Übertragungs- und Gegenübertragungsdynamik nicht angezeigt. Andererseits kann gerade in dieser Phase die Arbeit mit den Bezugspersonen auch dringend nötig sein, denn deren Ängste (> Angst) und Abwehrreaktionen (> Abwehr) können sowohl die Therapie, wie auch die psychische Situation des Jugendlichen, zusätzlich sehr beeinträchtigen.
Hilfreich erleben Jugendliche eine Therapie oft ab der mittleren Adoleszenz zwischen 15 und 17 Jahren, wenn sie sich schon mehr von ihrer > Kindheit entfernt haben und allmählich in der Lage sind, sich mit ihrer neuen körperlichen, psychischen und sozialen Situation auseinanderzusetzen, anstatt ihr nur ausgeliefert zu sein.
Meist befinden sich die Jugendlichen in dieser Zeit der Adoleszenz auf der Höhe des Persönlichkeitswandels (> Persönlichkeit), sie sind kränkbar wie nie zuvor, die Beziehungen zu Eltern und Bezugspersonen und dem gesamten sozialen Umfeld sind meist äußerst gespannt. Die Jugendlichen haben sich meist maximal isoliert und fühlen sich auf sich gestellt. Dadurch finden sie nur noch wenig positive Anerkennung und Bestätigung durch ihre früheren Bezugspersonen. Meist sind sie auch in maximaler Entzweiung (> Dissoziation) mit sich selbst, haben weder ein stabiles und integrationsfähiges Ich (> Ich/Ich-Bewusstsein > Integration), weder nach außen noch nach innen. Häufig bewerten sie zudem die kollektiven Strömungen (> Kollektiv) ihrer jeweiligen Subkultur höher als ihre eigene, innere Stimme. Eine, vielleicht noch vorhandene, Beziehung zur eigenen inneren Weisheit, die Beziehung zum > Selbst, wird oft ebenso gekappt wie die zu den äußeren Objekten (> Objekt). Die Ambivalenz des Ich sowohl sich selbst, wie den Elternfiguren (> Mutterkomplex > Vaterkomplex) gegenüber, ist zu groß.
Ob ein therapeutischer Prozess in Gang kommen kann, entscheidet sich sehr rasch an der Frage, ob die Jugendlichen den Eindruck haben, das Gegenüber sei ausreichend offen und flexibel, nicht wertend (> Akzeptanz), nicht elternhaft und nehme sie ernst. Damit setzt meist eine idealisierende Übertragung (> Idealisierung) ein, die für die psychische Entwicklung des Jugendlichen hilfreich ist. Wenn sich ein idealisierter Therapeut diesem zuwendet, ernsthaft an ihm interessiert ist, dann kann dies eine Aussage darüber machen, dass der Jugendliche selbst es wert ist, trotz all seiner Schattenaspekte (> Resonanz > Anthropozentrismus > Narzissmus). Sehr wichtig ist in dieser Zeit, dass der Therapeut, weil er selbst Vertrauen in den > Sinn der Adoleszenzkrise und deren guten Ausgang hat, auf die Energien des Patienten und die Möglichkeiten der > Selbstregulation vertraut.
In der Spätadoleszenz (etwa ab dem 18. Lebensjahr]]) beginnt sich die Persönlichkeit des Adoleszenten zu stabilisieren, die sexuelle Identität (> Geschlechtsidentität > Sexualität) wird häufig als sicherer erlebt, sexuelle Beziehungen werden stabiler, und die Persönlichkeitsinstanzen (> Ich/Ich-Bewusstsein > Persona > Anima/Animus: Klassische Auffassung > Schatten) beginnen sich klarer zu differenzieren. In der Therapie wird es zunehmend möglich, die Turbulenzen der vergangenen Jahre aufzuarbeiten und einen besseren Standpunkt für die Adoleszenten zu sich selbst und ihre Welt zu finden.
Literatur: Bovensiepen, G. (1993): Analytische Psychotherapie mit Jugendlichen; Heinemann, E.; Hopf, H. (2001): Psychische Störungen in Kindheit und Jugend.
Autor: A. Müller