Psychosomatik

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Keyword: Psychosomatik

Links: > Psyche > Körper > Körperpsychotherapie > Neurose > Prozessorientierte Psychologie

Definition: Psychosomatische Medizin oder kurz Psychosomatik (griech. soma: Leib, Körper) ist ein ganzheitlicher medizinischer Ansatz, der von den körperlich-seelischen (> Körper > Psyche) und sozialen Wechselwirkungen in der Entstehung, im Verlauf und in der Behandlung von Krankheiten und Funktionsstörungen des menschlichen Organismus ausgeht. Sie ist als personenzentrierte Medizin (im Gegensatz zur "krankheitsbezogenen Medizin“) zu verstehen und integriert psychodynamische (> Psychodynamik), analytische (> Analyse) und in letzter Zeit auch systemische (> Systemtheorie) und behavioristische (> Verhaltenstherapie) Denkmodelle mit den verschiedenen organmedizinischen Disziplinen. Sie berücksichtigt bei jeglicher Diagnostik und Therapie von Erkrankungen und Funktionsstörungen des menschlichen Organismus die vielfältigen Zusammenhänge und Wechselwirkungen der biologisch-physiologischen, psychischen und sozialen Dimensionen.

Die psychosomatische Medizin ist aus der interdisziplinären Kooperation von Psychoanalytikern und Internisten hervorgegangen und steht in Verbindung mit Namen wie F. Alexander, Th. v. Uexküll, V. v. Weizsäcker u. a. Das erste Lehrbuch für Psychosomatik erscheint 1943; 1948 gründet A. Mitscherlich an der Universität Heidelberg die erste Psychosomatische Klinik. Seit 1970 ist das Fachgebiet Psychosomatik und Psychotherapie in der ärztlichen Approbationsordnung verankert. Psychosomatik ist nicht zu verwechseln mit Psychiatrie oder Psychologie. Der Psychologie fehlt die Verbindung zur Medizin, d. h. zum Körper. Die Psychiatrie ist traditionell weniger somatisch und psychotherapeutisch ausgerichtet und behandelt in erster Linie die klassischen "Geisteskrankheiten" (z. B. Psychosen, Suchterkrankungen und Demenzen), wobei die medikamentöse Therapie und verhaltenstherapeutische Ansätze im Vordergrund stehen.

Information: In Deutschland gibt es (anders als z. B. in den USA) eine lange Tradition der Ablehnung psychosomatischer, psychodynamischer und psychoanalytischer Denkmodelle durch die Psychiatrie, die bis weit in die 70er Jahre des letzten Jahrhunderts hineinreicht und in den 90er Jahren durch den Versuch, die Psychotherapie und Psychosomatik in die Psychiatrie zu integrieren, nur scheinbar überwunden wird.

C. G. Jung hat sich nur relativ selten über psychosomatische Symptome geäußert. Der Ansatz der Analytischen Psychologie ist aber insgesamt ganzheitlich (> Ganzheit) und geht davon aus, dass Körper und Psyche nicht getrennt werden können, sondern einen biopsychischen Gesamtorganismus bilden (> Archetyp > Instinkt > Psychifikation > Unbewusstes, psychoides). Entsprechend plädiert Jung dafür, weder eine Störung als eine "bloß" oder ausschließlich physische, noch als eine "bloß" oder einzig psychische zu betrachten: "Mir scheint aber, dass zwischen physischen und psychischen Störungen ein gewisser Zusammenhang existiert, dessen Bedeutung man im allgemeinen unterschätzt, allerdings andererseits auch wieder maßlos überschätzt, indem gewisse Richtungen die physische Störung bloß als einen Ausdruck der psychischen Störung verstehen wollen." (vgl. Jung, GW 8, § 502)

Es gibt im Rahmen der Analytischen Psychologie eine Vielzahl von Aspekten, die für die Psychosomatik fruchtbar sein könnten, aber noch nicht systematisch ausgearbeitet wurden: die bioenergetische Auffassung (> Energetik > Körper) der > Libido; die emotionale und somatische Wirkung der > Komplexe (> Assoziationsexperiment), die sich auch in einer psychosomatisch aufgefassten Symbolik zeigen kann; der > Archetyp, der einen physiologischen, instinktiven und einen geistigen Pol (> Transgressivität > Unbewusstes, psychoides) aufweist; die Hypothesen des > Unus mundus, der > Synchronizität und des psychischen Feldes (> Feld, psychisches) und des absoluten Wissens (> Wissen, absolutes), welche die Welt der Materie mit der der Seele vereinen und schließlich der Ganzheitsbegriff (> Ganzheit), der natürlich immer auch auf eine biopsychosoziale Einheit des Menschen hinweist. Auch die Konzepte der > Körperpsychotherapie und der prozessorientierten Psychologie (> Psychologie, prozessorientierte) bieten wichtige weitere Aspekte. 

Literatur: Ahrens, S. (Hrsg.) (1997): Lehrbuch der psychotherapeutischen Medizin; Uexküll, Th. v. (1990]]): Psychosomatische Medizin.

Autor: B. Banholzer