Bild
Keyword: Bild
Links: > Archetyp > Bildbetrachtung/ -deutung > Idee > Imago > Imagination > Malen aus dem Unbewussten > Symbol > Symbolisierung
Definition: Der Begriff Bild (ahd. bilidi: Sinnbild, Vorzeichen, Erscheinung oder Worte von zeichenhafter Bedeutung; biliden: einer Sache Gestalt und Wesen geben; bilidon: eine vorgegebene Gestalt abbilden) hat ursprünglich den Sinn von Erscheinung oder wesenhafter Gestalt und wandelt sich zum Abbild (simulacrum, imago) einer, in der äußeren Welt, sinnlich wahrnehmbaren Gestalt.
Information: Das Bild, wie es in der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) verstanden wird, kommt dem ursprünglichen Bedeutungsgehalt sehr nahe. Bilder werden nicht als bloße Abbilder bekannter Inhalte angesehen, sondern als aktuelle Aussagen der Psyche, wie sie in Träumen, Imaginationen und Fantasien (> Traum, Imagination, Fantasie) zum Ausdruck kommen; sie sind wesenhaft, nicht als Ausdruck materieller Gegebenheiten und nicht buchstäblich zu verstehen. C. G. Jung unterscheidet sie von Bildern sinnlicher Wirklichkeit als „innere Bilder“. Das Bild ist die ursprünglichste Ausdrucksform der Psyche und die Grundlage von Sprache, Ideen und wissenschaftlichen Aussagen. Das innere Bild ist eine komplexe Größe und konzentrierter Ausdruck der psychischen Gesamtsituation. Es gibt Aufschluss über die Beziehung zwischen Bewusstsein und dem Unbewussten. Die Konstellation des Bildes „erfolgt einerseits durch die Eigentätigkeit des Unbewussten, andererseits durch die momentane Bewusstseinslage“ und “Die Deutung seines [des Bildes] Sinnes kann also weder vom Bewusstsein allein, noch auch vom Unbewussten ausgehen, sondern nur von ihrer wechselseitigen Beziehung.“ (Jung, GW 6, § 761)
Das Bild umfasst widersprüchliche Inhalte, also polare Aussagen (> Polarität). Jung unterscheidet zwischen „urtümlichen“ und „persönlichen“ Bildern. Die urtümlichen Bilder (> Archetyp) haben archaischen Charakter und zeigen mehr oder weniger deutliche Übereinstimmungen oder Ähnlichkeiten mit mythologischen Motiven (> Mythos). Sie stammen aus dem kollektiven Unbewussten (> Unbewusstes, kollektives) und sind archetypischer Natur. Dagegen beziehen die persönlichen Bilder ihre Inhalte aus den verdrängten und vergessenen Inhalten des persönlichen Unbewussten (Jung, GW 6, § 762) Anfänglich benutzte Jung die Begriffe „Bild“ und „Archetyp“ (> Archetyp) synonym. Später differenziert er zwischen dem archetypischen Bild und dem zunächst unanschaulichen Archetyp. Er spricht jedoch auch von archetypischem > Symbol.
Wie unterscheidet sich das Bild vom Symbol? Der therapeutische Prozess, das psychische Leben überhaupt, vollzieht sich in Bildern. (Jung, GW 9/1, § 82) Ob ein Bild als Symbol im Sinne der jungschen Definition als momentaner bestmöglicher Ausdruck einer nicht anders oder besser zu fassenden Anschauung und als numinos (> Numinoses) erfahren wird, hängt von der Wirkung des Bildes auf das Bewusstsein dessen ab, dem es widerfährt; der subjektive Faktor spielt dabei eine wesentliche Rolle. Da die Psyche primär in Bildern „denkt“ und das Symbol als solches erst erkannt werden kann, wenn es im Bewusstsein als Bild auftaucht, scheint der Begriff des Bildes der umfassendere zu sein.“Ob etwas ein Symbol sei oder nicht, hängt zunächst von der Einstellung des betrachtenden Bewusstseins ab, eines Verstandes z. B., der den gegebenen Tatbestand nicht bloß als solchen, sondern auch als Ausdruck von Unbekanntem ansieht.“ (Jung, GW 6, § 898) Das Bild ist nicht „was es ist“ oder vordergründig zu sein vorgibt, es macht keine buchstäbliche Aussage, sondern es ist ein „als ob“. Es löst die Suche nach Antworten in Form von Metaphern (> Metapher), mythologischen Vergleichen (> Amplifikation), weiteren Bildern (> Imagination) und das Bedürfnis nach Deutungen (> Deutung) aus, kurz es will bewusst gemacht und in seiner Bedeutung verstanden werden.
Jung und später J. Hillman haben die Bedeutung der Bilder und die Fähigkeit der Psyche zur primären Produktion von Bildern ins Bewusstsein gerufen. “Der symbolische Prozess ist ein Erleben im Bild und des Bildes.“ (Jung, GW 9/1, § 82) Diese Aussage versuchte Jung u. a. an alchemistischen Bilderserien, wie z. B. dem mittelalterlichen Rosarium empirisch zu belegen (Jung, GW 16, § 353f). Nachdem eine gewisse Erstarrung in der Deutung von Bildern und Symbolen in der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) eingetreten war, hat J. Hillman (1983 a) die Bedeutung des Bildes für psychisches Leben und die Zentrierung der Psychologie auf die Archetypen erneut betont: „Das Bild war mein Ausgangspunkt für die Rückführung der Psychologie auf die Archetypen“. (> Archetypische Psychologie) Für ihn sind psychische Bilder „immaterielle, spiegelartige Gestalten“ (griech.“eidola“) auf die im Bewusstsein auftauchende psychische Inhalte zurückgeführt werden können.
Literatur: Daniel, R. (1993): Archetypische Signaturen im unbewussten Malprozess; Hillman, J. (1983 a): Am Anfang war das Bild; Jacobi, J. (1969): Vom Bilderreich der Seele; Riedel, I. (1988): Bilder in Religion, Kunst und Psychotherapie.
Autor: R. Daniel