Interesse

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Keyword: Interesse

Links: > Emotion > Energie > Flow > Freude > Langeweile > Libido

Definition: Interesse (lat. inter esse: Dazwischensein) und Neugier sind fundamentale, frühe Emotionen (> Emotion). Sie können bei den Säuglingen schon in den ersten Lebenstagen beobachtet werden. Die intensivste Form einer Emotion zeigt das Wesen der jeweiligen Emotion am besten. Interessiert sich ein Mensch intensiv für etwas, dann wird eine Sache, eine Person, ein Symbol oder eine Idee so wichtig für ihn oder für sie, dass dadurch die ganze Aufmerksamkeit gefesselt und alle geistigen Prozesse in Beschlag genommen werden. Man ist wach, aufmerksam, man ist besetzt, aber anders, als wenn man von einem Kummer besetzt ist, ist dieses Besetztsein von höchster Vitalität. Man ist nicht belastet, sondern beschwingt, auch dann, wenn das Interesse zu sehr viel Arbeit führt. Interesse führt also dazu, dass man völlig in Anspruch genommen ist, voller Konzentration, voller Aufmerksamkeit - Konzentration ist eine Form der Aufmerksamkeit. Man fühlt sich lebendig, aktiv, angeregt. Aus dem Interesse heraus erfolgt ein Handeln und Gestalten, und erfolgt dies nicht, dann stirbt auch bald wieder das Interesse. Interessiert man sich für einen Menschen, wendet man sich diesem zu. Ist es eine wissenschaftliche Idee, die jemanden interessiert, wird er versuchen, sie mit allen Mitteln auszuarbeiten. Weil aus dem Interesse eine anhaltende Betätigung folgt, gelten Interesse und Neugier auch als Emotionen, die die Motivation zu kreativen (> Kreativität) und konstruktiven Tätigkeiten, auch zum > Lernen verstärken, > Langeweile hingegen bringt sie zum Erliegen.

Information: Im Interesse kommt uns unsere Innenwelt aus der Außenwelt, in Gestalt der uns interessierenden Themen, entgegen. Durch das Interessiertsein wird unsere Innenwelt belebt, das belebt wiederum unser Interesse, das Interesse wird noch größer und bringt uns dazu, das, was interessiert noch mehr zu verfolgen, es zu gestalten. Es ist ein zirkulärer Prozess, ein Wirkkreis. Man kann sich natürlich fragen, wer da wen ergreift, es bleibt eine geheimnisvolle zirkuläre Interaktion zwischen dem Individuum und der Welt, mit dem Ziel der kreativen Gestaltung und der höchstmöglichen psychischen und physischen Aktualisierung, einem Gefühl intensiver, lustvoller Lebendigkeit, einer lustvollen Beziehung zwischen dem > Selbst und der Welt (> Flow).

Interessiert man sich intensiv für etwas, dann findet man die Welt und auch sich selbst interessant. Man fühlt sich lebendig, mitten in einem sinnvollen Leben, das sich verändert, und das man selbst auch maßgeblich mitgestalten kann. Das gibt ein sicheres Gefühl der eigenen Identität im Vollzug. Was interessiert ist aufregend, verspricht Neues, Entwicklung, Befriedigung und vielleicht auch einmal Ruhm und Ehre. die Fantasien (> Fantasie) sind Fantasien im Zusammenhang mit dem, was interessiert, und sie werden in Handlungen verwirklicht, das gilt auch für narzisstische Fantasien (> Größenfantasie > Narzissmus). Nur wenn Sachinteressen und narzisstische Interessen in einem guten Gleichgewicht sind, lässt sich Interesse aufrechterhalten, sonst erstirbt es. Es geht also bei den Interessen einerseits um die Selbsterhaltung: Es liegt im Interesse des Überlebens und des guten Lebens, dass Nahrung beschafft, die sexuellen Bedürfnisse befriedigt werden können, Sicherheit und Geborgenheit gefunden und Anregungen erlebt werden. Das Interesse macht aber nicht bei der Selbsterhaltung halt, es geht dabei immer auch um eine Selbsterweiterung auf noch nicht Bestehendes, auf die Zukunft hin (> Finalität). Und da besteht eine Verbindung des Interesses zu unseren Wünschen, zu Tagträumen, zu Träumen (> Traum) überhaupt. Das Interesse ist die Emotion im Umkreis des Archetypus der Selbstverwirklichung (> Individuation) im weitesten Sinn und der damit verbundenen Weltgestaltung.

Literatur: Kast, V. (1987): Der schöpferische Sprung; Kast, V. (2001): Vom Interesse und dem Sinn der Langeweile.

Autor: V. Kast