Mundus imaginalis

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Keyword: Mundus imaginalis

Links: > Analogie > Bild > Einstellung, symbolische > Funktion, transzendente > Imagination > Metapher > Symbol

Definition: Mundus imaginalis (lat. mundus: Welt, Weltall, Weltordnung; lat. imago: Bild) ist ein von dem Islamwissenschaftler H. Corbin entwickelter Begriff (vgl. Corbin, 1964), um einen intermediären Bereich zwischen der intellektuellen Anschauung und der sinnlichen Wahrnehmung zu charakterisieren (Synonyme: mundus archetypalis, alam al-mithal). Corbin bezeichnet den Mundus imaginalis als Ort, der mit der ihm eigenen Topografie die physische, tangible (berührbare) Welt symbolisiert. Er schlägt die Bezeichnung "imaginal" vor, da sie im Gegensatz zu "imaginär" nicht mit dem Beigeschmack des Irrealen behaftet sei.

Information: Auf die Frage danach, wo der Mundus imaginalis sich befindet, antwortet Corbin mit dem traditionellen persischen Ausdruck Na-Koja-Abad, der nur sehr unvollkommen mit Utopia oder Niemandsland wieder zu geben sei. Der ontologische Status des Mundus imaginalis zwischen intelligibler (mit dem Intellekt wahrnehmbarer) und sensorisch (mit den Sinnen) wahrnehmbarer Welt bedingt, dass diese Welt des Archetypischen (> Archetyp) nicht unmittelbar wahrnehmbar ist, sondern im Spiegel der > Imagination aufscheint, die Gedachtes, Wahrgenommenes und Imaginales symbolisierend (> Symbol > Einstellung, symbolische) miteinander verknüpft. Die Orte der Imagination können mit ähnlicher Präzision wahrgenommen werden wie äußere, empirische Orte. Kulturanthropologisch und psychotherapeutisch liegt in dieser symbolischen, transzendenten Funktion (> Funktion, transzendente) der Bilder der wesentliche Unterschied zwischen dem Imaginären und dem Imaginalen: Der modernen Kultur des Bildhaften mit millionenfach und unzensiert downloadbaren Bildern fehlt weitgehend die Funktion des Symbolischen (> Symbol). Auch die in den letzten Jahren zunehmend beachteten intrusiven Bilder traumatisierter Menschen sind symbolisch unverknüpft, überschwemmend-imaginär.

Die archetypische Schule (> Archetypische Psychologie) beruft sich in mehrfacher Hinsicht auf Corbin: Das Bildhafte darf nicht auf das Therapeutische eingeschränkt werden, sondern hat Anteil an uralten Menschheitserfahrungen, wie sie z. B. in den Mythen (> Mythos) zum Ausdruck kommen. Auch wenn eine am Mundus imaginalis orientierte Psychologie rational-diskursiv im Ausdruck ist, so ist ihre wesentliche Methode doch die > Imagination. Von besonderer klinischer Bedeutung ist der Zwischenbereich des Mundus imaginalis in der therapeutischen Arbeit mit Borderline-Persönlichkeiten (> Borderline). Der Mechanismus der projektiven Identifikation (> Beziehungsquaternio > Identifikation, projektive) wandelt nicht nur die beiden Interaktionspartner auf eine oft unheimliche Weise, sondern auch den Bereich zwischen ihnen, der dadurch überhaupt erst wahrnehmbar wird. "Aus praktischen Gründen bezeichnen wir diesen Bereich oft als 'zwischen' zwei Menschen liegend, denn er kann als ein interaktives Feld erfahren werden, das durch Bilder strukturiert wird, die eine starke Auswirkung auf die bewussten Persönlichkeiten haben. Je tiefer man in dieses Feld gerät, desto mehr verlieren räumliche Betrachtungen an Bedeutung. Wir haben es hier mit einer imaginalen Welt zu tun, einem mundus imaginalis, der seine eigenen Prozesse hat. Individuen können an diesen Prozessen teilhaben" (Schwartz-Salant, 1991).

Literatur: Corbin, H. (1979): Mundus Imaginalis oder das Imaginäre und das Imaginale; Schwartz-Salant, N. (1991): Die Borderline-Persönlichkeit.

Autor: E. Frick