Psychogenese

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Keyword: Psychogenese

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Definition: Der Begriff der Psychogenese (lat. generare: erzeugen, hervorbringen) bezeichnet die Entstehung und Entwicklung seelischer Vorgänge und findet in der Psychotherapie in zweifacher Form Verwendung. Erstens bezeichnet er die Entwicklung der Seele (> Psyche), des Seelenlebens, der Persönlichkeitsstruktur (> Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien > Kindheit/Kindheitsphasen > Persönlichkeit) und zweitens den Einfluss psychischer Faktoren auf Krankheitszustände.

Information: In der traditionellen Psychiatrie werden die seelischen Erkrankungen nach dem triadischen System nach ätiologischen Gesichtpunkten (> Ätiologie) eingeteilt in: 1. organisch, d. h. durch eine nachweisbare körperliche Erkrankung begründbar; 2. endogen (ohne bisher nachweisbare Ursache, aber unter der Annahme einer maßgeblichen körperlichen Verursachung, vielfach auch einer psychologischen Nicht-Verstehbarkeit) ; 3. psychogenetisch. Maßgeblich ist psychogene Verursachung bei reaktiven, neurotischen und traumatogenen Erkrankungen sowie bei funktionellen und psychovegetativen Störungen, was nach der ICD-10- (ICD 11-) Klassifikation der WHO im Wesentlichen der Gruppe der neurotischen, Belastungs- und somatoformen Störungen entspricht. Bei der Entstehung psychischer, wie auch körperlicher Erkrankungen sind - abhängig von der Art der Erkrankung sowie vom individuellen Patienten und seiner Geschichte - seelische Faktoren - neben körperlichen und sozialen - jedoch grundsätzlich in verschiedenem Maße zu bedenken, d. h. die Frage nach der Psychogenese kann nicht auf einzelne Diagnosen beschränkt bleiben.

Für die Psychogenese, also den psychischen Einfluss oder die psychische (Mit-) Verursachung einer Erkrankung spricht: Die Erkrankung ist eine nachvollziehbare, verstehbare Reaktion auf eine erlebnismäßige Belastung (> Krise, > Trauma), auf unbewusste und/oder ungelöste innere Belastungen, > Konflikte und > Komplexe und deren Verbindung mit der Symptomatik. Es gibt also eine lebensgeschichtliche Verstehbarkeit der Erkrankungsentwicklung.

Die Psychogenese-Konzepte mit der längsten Tradition sind von den analytischen Therapierichtungen entwickelt worden. Sie gründen auf Hypothesen zur > Psychodynamik des Erkrankungsgeschehens, die Konstellationen im Unbewussten, deren Entwicklung und Interaktionen, jedoch auch Wechselwirkungen mit körperlichen Gegebenheiten und Disposition einbeziehen. Kybernetische Modelle, die seelische und körperliche, Anlage- und Umweltfaktoren integrieren, sind in der psychosomatischen Medizin (> Psychosomatik) erarbeitet worden. Die Indikationsstellung zur analytischen oder tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie erfordert die Darstellung der psychogenetischen Aspekte der Erkrankung, hergeleitet aus dem analytisch-diagnostischen Prozess, durch Hypothesen zur Psychodynamik. 

Literatur: Dieckmann, H. (1991): Komplexe; Ermann, M. (1997): Psychotherapeutische und psychosomatische Medizin; Kast, V. (1990): Die Dynamik der Symbole; Mentzos, S. (1993): Psychodynamische Modelle in der Psychiatrie.

Autor: T. v. Cube