Psychosenpsychotherapie

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Keyword: Psychosenpsychotherapie

Links: > Analyse > Psychose > Unbewusstes > Unbewusstes, kollektives > Psychotherapie, analytische > Traum

Definition: Die Psychose - der Einbruch archaisch-seelischer Kräfte ins etablierte Ich - bringt den psychotischen Menschen nicht nur in Gegenposition zu sich und seinem Umfeld, sondern die Gruppe (> Gesellschaft), zu der der Psychotherapeut auch gehört, in Gegenposition zum psychisch Kranken. Der Therapeut steht deswegen in der Therapie vor der Entscheidung, ob er sich mit dem Patienten innerlich familiarisiert oder ob er distanzierend reagiert. Während für den Psychiater alter Schule die Bewältigung des Störverhaltens der Erfolg eines, dem Patienten gleichsam im Auftrag der Gesellschaft von außen auferlegten, Anpassungstrainings ist, heißt der Weg der Psychotherapie, dem Patienten wieder einen reflektiven Umgang sich und der Gesellschaft gegenüber zu ermöglichen.

Die Psychotherapie der Psychose heißt also für den Therapeuten, sich mit dem Patienten in eine gemeinsame Regression zu begeben. Diese ist Voraussetzung für eine Assimilation (> Anpassung) abgespaltener seelischer Kräfte im Ich, die die > Wandlung und > Integration der Person nach sich ziehen kann. Gleichzeitige psychopharmakologische Behandlung (> Psychopharmakologie) ist erforderlich, um einerseits drohende psychotische Eskalationen einzugrenzen oder zu verhindern, und so andererseits die Gesprächsbereitschaft des Kranken zu erhalten bzw. den Dialog innerhalb der Therapie zu stabilisieren. Es gehört zum Standard der Psychosenpsychotherapie, dem psychotischen Menschen mit Offenheit und Anteilnahme (> Akzeptanz > Empathie) zu begegnen und ihn zugleich zu einem, nach Möglichkeit distanzierenden, Verhalten gegenüber den psychotischen Zuständen zu motivieren. Entsprechend fordert C. G. Jung vom Analytiker ein tieferes Wissen von der Seele, das sich auf Kenntnis mythischer (> Mythos), religiöser (> Religion) wie transkultureller Erfahrungen stützt und verlangt bei Anzeichen, die für eine beginnende oder sich verschlechternde Psychose sprechen, die analytische Arbeit mit den Inhalten des > [[Unbewussten zu vermeiden.

Information: Patient und Therapeut sind nicht nur bewusst aufeinander bezogen, sondern zugleich unbewusst miteinander verbunden (> Beziehungsquaternio > Beziehung, therapeutische > Übertragung/Gegenübertragung). Das Unbewusste des Therapeuten hat die Funktion des containments (> Container/Contained) für die archaischen Bilder des Patienten. Es nimmt sie auf, gleichsam in einer "magischen Tasche", verschließt sie, sodass der therapeutische Dialog bestehen bleiben kann. Therapeutisch geht es darum, Ansätze herauszufinden, die dem Patienten einen persönlich nachvollziehbaren Umgang mit kollektiven (Traum-Bildern erlauben, ohne sich der Gefahr der > Inflation auszusetzen. Dem Analytiker fällt dabei die Aufgabe zu, das in der psychotischen Regression waltende Sinngeschehen intuitiv zu erfassen und es für den Patienten in sich empathisch nachzuvollziehen. So entstehen die Voraussetzungen für den Zusammenschluss seelischer Funktionen, und damit der Reintegration des Ich.

Benedetti fasst den Rapport zwischen Patient und Therapeuten auf als eine kontinuierliche Wechselwirkung zwischen zwei Unbewussten im Kontakt, die einen Prozess der reziproken Identifikation unterhält. Während der Therapeut sich über die Leiden mit dem positiven Selbst des Patienten identifiziert, beginnt der Kranke, über die Person des Therapeuten, sich in den Konturen seines Ich zu entdecken. Dieser, als Apersonierung bezeichnete, Vorgang wird durch das, gleichzeitig von Benedetti entwickelte, Verfahren der Positivierung befördert. Der Therapeut vermeidet es, sein rationales, analytisches Verstehen den kollektiven Bildern entgegenzustellen. Die therapeutische Sprache arbeitet vielmehr mit Bildern, die sich die schizophrenen Symbole zu eigen machen und sie weiterführen. Dabei hört das, in den kommunikativen Gebrauch übernommene, Symbol auf, das regressive Produkt einer zerfallenen Psyche zu sein. Über ein Zwischenreich von Einfällen und Gegeneinfällen, gleichsam einer Art von Fantasierealität, beginnt der Kranke die eigene autistische Welt zu verlassen und sich aus der Umklammerung der Psychose zu lösen.

Literatur: Benedetti, G. (1992): Psychosenpsychotherapie als existenzielle Herausforderung; Benedetti, G. (1998): Botschaft der Träume; Zielen, V. (1987): Psychose und Individuationsweg.

Autor: V. Zielen