Transpersonale Psychologie: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Transpersonale Psychologie
Links: > Bewusstseinszustände, veränderte > Hermetik > Mystos-Prinzip > Mystik > Pentaolon-Modell > Religion > Philosophie, philosophia perennis > Philosophie, östliche > Transpersonale Psychotherapie
Definition: Die Transpersonale Psychologie (lat. trans: jenseits, über etwas hin; lat. personalia: persönliche Dinge; auf Einzelpersonen ausrichten) ist eine, seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts, im Entstehen begriffene neue Richtung in der Psychologie. Der Begriff wurde in den USA von den humanistischen Psychologen (> Humanistische Psychologie) A. Maslow und A. Sutich und S. Grof geprägt. In Europa entwickelte C. G. Jung schon Anfang des 20. Jahrhunderts die > Analytische Psychologie, die von einer religiösen Orientierung der Psyche (> Gottesbild > Selbst) ausgeht. Er gilt damit allgemein als Pionier und Klassiker der Transpersonalen Psychologie und -therapie. Ein wenig später schufen R. Assagioli die Psychosynthese (> Synthese), nach dem zweiten Weltkrieg V. Frankl die Logotherapie, M. Boss und L. Binswanger die Daseinsanalyse, F. Graf Dürckheim und M. Hippius, Gräfin Dürckheim die > Initiatische Therapie. Ihnen allen gemeinsam ist es, die Psychologie der bewussten Persönlichkeitsanteile und das Erleben der Grenzen von Raum und Zeit zu überschreiten, somit zwischen normalen und besonderen (außergewöhnlichen) Bewusstseinszuständen (NOSC, non ordinary states of consciousness) zu unterscheiden und wesentlich auch die spirituelle und religiöse Dimension des Bewusstseins (> Mystik > Spiritualität > Religion) einzubeziehen.
Information: Zu den Voraussetzungen für die wissenschaftlich verstandene Bezeichnung transpersonal gehört die Annahme des kollektiven Unbewussten (> Unbewusstes, kollektives) und der > Archetypen, die sich in Gestalt symbolischer Bilder aus dem Bereich des Unnennbaren, dem > Numinosen, wohin weder Worte noch Bilder reichen können, verdichten. Aus dem Bereich des kollektiven Unbewussten konstituieren sich die Religionen und Kulturen und es durchwirkt die personale Psyche des Einzelnen. Mithilfe der transpersonalen Perspektive in Ethnologie, Tiefenpsychologie, empirischer Psychologie, einschließlich der Betrachtung pharmakologisch oder anders induzierter besonderer Wachbewusstseinszustände, (> Bewusstseinszustände, veränderte > Psycholyse) und Meditationsforschung, Psychopathologie (> Psychose) und > Parapsychologie, gelingen Verknüpfungen mit den religio-philosophischen Bewusstseinsmodellen alter Traditionen (Philosophie]]), insbesondere mit > Buddhismus, > Hinduismus, > Mystik, > Tantrismus und > Taoismus. K. Wilber entwickelt ein umfassendes Schichtenmodell des Bewusstseins, das metatheoretisch versucht, transpersonaler Bewusstseinsforschung und religiös-spirituellem Weisheitswissen gerecht zu werden.
Bewusstsein wird aufgefasst als das Gesamt des potenziell Erlebbaren, genauer als Ermöglichungsgrund der Konstitution und Gestaltung von Selbst und Welt und ihres Verhältnisses zueinander (vgl. Scharfetter, 2000). Wilber und andere unterscheiden das Unter-Bewusstsein, das mittlere Tagesbewusstsein und das Über-Bewusstsein. Dem Unter-Bewusstsein entspricht der Bereich prä-Ego (präpersonalen, prärationalen), mit Traum oder traumähnlichen Zuständen. Dem mittleren Tagesbewusstsein entsprechen das Ich und das personale Selbst, mit Individualität, Rationalität, solarem Ich (vgl. Neumann, 1963); dem Überbewusstsein entspricht der Bereich trans-Ego, (transpersonal, transrational) mit Hierophanie, Gott, Gottheit, Absolutem, der Seele als "naturaliter religiosa" (vgl. Jung, GW 12, § 14]]). Jung macht diese Unterscheidung nicht, sondern fasst alle diese Bereich als "Unbewusstes" zusammen. Die Unterscheidung präpersonal, personal und transpersonal trägt zur Differenzierung von Erfahrungen bei; eine > Prä-Trans-Verwechslung führt zur fehlerhaften Ansiedlung psychischer Phänomene in den kartografierten Bewusstseinsbereichen (vgl. Scharfetter, 1995). Der mystische Ich-Tod in der dunklen Nacht (Johannes v. Kreuz) mit konsekutiven Erfahrungen von Liberation (Befreiung) und Salvation (Erlösung) und seinen ethisch handlungswirksamen Folgen ist infantiler Regression oder konfliktbedingter Depression diametral entgegengesetzt. Darauf hat insbesondere E. Neumann in seinem Artikel "Der mystische Mensch" (1958) deutlich hingewiesen.
Im Bereich akademisch entwickelter Modellvorstellungen ebenso wie in der persönlichen spirituellen Erfahrung des Einzelnen spielt die Idee der Evolution (> Bewusstseinsevolution > Evolutionäre Psychologie) und des persönlichen Wachstums eine bedeutende Rolle. In der meditativen Entfaltung der > Persönlichkeit verlieren wissenschaftliche Konstrukte oder mentale Techniken jedoch zunehmend an Bedeutung. Es geht prozesshaft um die allmähliche Ausdehnung des Bewusstseins mit der > Integration immer weiterer Bewusstseinsbereiche und um das Leben der Immanenz der Transzendenz im Alltag.
Literatur: Boorstein, S. (Hrsg.) (1988): Transpersonale Psychotherapie; Grof, S. (1994): Das Abenteuer der Selbstentdeckung; Zundel, E., Fittkau, B (Hrsg.) (1989): Spirituelle Wege und Transpersonale Psychologie.
Autor: U. Kayser