Automorphismus: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Automorphismus

Links: > Individuation > Ich-Selbst-Achse > Selbst > Selbstregulation > Urbeziehung

Definition: Der Begriff des Automorphismus (griech.: Selbst-Gestaltung) wurde von E. Neumann in die > Analytische Psychologie eingeführt, in dem Bestreben, sich von der > Psychoanalyse mit sich unterscheidenden, grundsätzlich anderen Vorstellungen von der psychischen Entwicklung des Menschen, auch durch die Verwendung einer entsprechenden Begrifflichkeit, abzuheben. Es ging ihm dabei nicht nur um eine Klärung der Theorie, sondern auch um die andere therapeutische Haltung in der Analytischen Psychologie > Analytische Psychologie, vor allem um die Abgrenzung gegen die reduktive Haltung Reduktion versus Synthese (> Reduktion/ reduktive Methode versus Synthese/synthetische Methode) und die daraus resultierenden Deutungen von psychischen Phänomenen des triebtheoretischen Ansatzes S. Freuds und auch der Kleinianischen Psychoanalyse (> Kleinianische Psychoanalyse).

Information: Automorphismus bezeichnet die von Anfang an im Individuum wirkende Energie und Kraft, sich selbst, d. h. die im > Selbst angelegten, individuellen psychosomatischen Gegebenheiten und Möglichkeiten zu verwirklichen. Ausgehend von dem Gedanken des Biologen A. Portmann, das erste Lebensjahr als soziale Uteruszeit anzusehen, sieht E. Neumann das Spezifische der Entwicklung des menschlichen Individuums im Ausgeliefertsein im frühen menschlichen Beziehungsraum. Diese Situation entsteht, weil die Entwicklung „in dem späteren Teil seines embryonalen Daseins den mütterlichen Händen der „Natur“ entzogen und der menschlichen Mutter anheimgegeben wird“. Diese „menschliche Mutter“ wirkt dabei ganzheitlich sowohl als persönliche wie auch als archetypische und das Kollektiv vermittelnde (Neumann, 1963, S. 8) Bezugsperson, weswegen das Kind schon vor seiner eigentlichen Geburt am Ende des ersten Lebensjahres vom menschlichen Kollektiv mitgeprägt ist und einer starken „An- und Einpassung“ an die persönlichen und kollektiven Bedingungen unterliegt. Dieser sozialisierenden Tendenz des Kollektivs, die sich in der Urbeziehung mit entfaltet, stellt Neumann den Automorphismus des Kindes als seine, mit der Befruchtung des Eis, einsetzende Tendenz zur Eigenverwirklichung gegenüber. Aufgrund des Automorphismus setzt sich in jedem Individuum dessen Individualität durch, mit und auch gegen das sozialisierende Kollektiv und die individuell bemutternden Personen. Individuelle Entwicklung geschieht immer in der Spannung von Eigentendenz, also Automorphismus und Tendenz des sozialen Umfeldes.

Im Unterschied zum Begriff der > Zentroversion, der sich speziell auf die individuelle Entwicklung und den Zusammenhang der Persönlichkeitszentren > Ich und > Selbst bezieht, ist der Begriff des Automorphismus der umfassendere. Er ist nicht nur auf die Entwicklung des Ich-Komplexes (> Ich-Komplex) und des Bewusstseinszentrums (> Filialisierung des Ich) bezogen, sondern vor allem auf die Entwicklung der psychischen Systeme > Bewusstsein und > Unbewusstes und auf deren Beziehung zueinander; z. B. auf die kompensatorische Beziehung des Unbewussten zum Bewusstsein (> Kompensation), sowie auf Prozesse, die sich nur im Unbewussten oder nur im Bewusstsein abspielen, aber der Entwicklung der Persönlichkeitsganzheit dienen. So ist für die Vor-Ich-Zeit der frühesten > Urbeziehung mit ihrem Enthaltensein des Kindes in der Mutter-Welt-Selbst-Einheit zwar schon der Begriff des Automorphismus zuständig, denn schon hier handelt es sich um eine wesentliche Phase der Persönlichkeitsgestaltung, aber noch nicht der Begriff der Zentroversion.

Literatur: Neumann, E. (1955 a): Narzissmus, Automorphismus und Urbeziehung; Neumann, E. (1963): Das Kind.

Autor: G. Walch