Kleinianische Psychoanalyse

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Keyword: Kleinianische Psychoanalyse

Links: > Container/Contained > Identifizierung, projektive > Psychoanalyse

Definition: Diese Richtung der > Psychoanalyse ist von Melanie Klein (1882-1960) begründet worden. Sie fühlt sich der > Psychoanalyse S. Freuds verpflichtet, entwickelt aber konsequent und kreativ eigene Konzepte. Während es in England schon seit den 50er Jahren Kontakte und Auseinandersetzungen zwischen der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) und der Kleinschen Schule gegeben hat, gewinnen die Kleinschen Konzepte in Deutschland erst in Zusammenhang, mit der Verlagerung des praktischen und forschenden Interesses auf die frühen und frühesten Stadien der Entwicklung (> Entwicklungspsychologie > Kindheit/Kindheitsphasen) und in Bezug auf die Genese (> Psychogenese) und Dynamik (> Psychodynamik) schwerer Psychopathologien, in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmende Akzeptanz.

Information: Ausgangspunkt der Konzepte ist die, auf den Grundlagen von Freud und K. Abraham entwickelte, Technik der Kinderanalyse (> Kinderpsychotherapie), in der die Ziele und die behandlungstechnisch wesentlichen Inhalte der Erwachsenenanalyse auf die "Frühanalyse" auch sehr kleiner Kinder übertragen werden. Klein entdeckt, dass das > Spiel des Kindes bzw. auch die Hemmung der spielerischen Aktivität ein Äquivalent der freien Assoziation (> Assoziation, freie) des Erwachsenen darstellt. In England ist Kleins Arbeit weiterentwickelt und differenziert worden u. a. in der Arbeit von W. R. Bion, B. Joseph, H. Rosenfeld, H. Segal und J. Steiner mit narzisstischen (> Narzissmus), psychotischen (> Psychose) und Borderline Patienten (Rosenfeld 1965, Segal 1981, Steiner 1999). Einen zentralen Stellenwert in der Theorie und klinischen Praxis der Kleinianischen Psychoanalyse bilden die unbewussten Fantasien (> Fantasie), die als psychischer Ausdruck der Triebbedürfnisse (> Instinkt > Triebentwicklung, Phasen der) von Beginn des Lebens an mit den körperlichen Vorgängen und Triebimpulsen verknüpft sind, und die sich auf ein > Objekt richten. Klein geht davon aus, dass von Anfang an ein rudimentäres > Ich (Selbst) und primitive narzisstische Objektbeziehungen (> Objektbeziehungstheorie > Selbstrepräsentanz > Selbstpsychologie) existieren. Sie nimmt an, dass die Beziehung des Säuglings zu seiner Mutter auf phylogenetischem Erbe beruht und dass es ein angeborenes, unbewusstes Wissen um die Existenz des Penis sowie der Vagina gibt. Bion sieht in seinen "Prä-Konzeptionen" (vgl. Bion, 1963) Erwartungen an die Brust, die Urszene oder die ödipale Konfiguration (> Ödipuskomplex). Hier lassen sich Entsprechungen zu Jungs Konzepten der Archetypen (> Archetyp) ziehen, Fordham spricht von der inneren Welt (Fordham, 1995, S. 53). Durch die ersten psychischen Mechanismen der Introjektion und > Projektion konstituiert sich eine Welt innerer Objekte - sowohl guter Objekte, die mit dem Lebenstrieb des Kindes verbunden sind, als auch böser, verfolgender Objekte, die den Todestrieb (> Thanatos) repräsentieren. Klein sieht in der primären, zu Beginn des Lebens aktiven > Aggression den klinischen Nachweis für die Existenz des Todestriebes. 1957 formuliert sie ihr Konzept des Neides (> Neid) als Manifestation angeborener Aggressivität. Sie kommt zu der Überzeugung, dass destruktive Impulse und Fantasien frühkindliche psychotische Ängste (> Angst) verursachen, die zurückverfolgt werden können bis zu oral-sadistischen Angriffen auf die Brust (der Mutter). Die frühesten > Abwehrmechanismen (> Abwehr) richten sich gegen die Angst, die durch destruktive Impulse und Fantasien ausgelöst wird. Durch die Verlagerung des Schwerpunktes ihrer Forschungen von der Theorie der libidinösen Entwicklungsphasen zu der mit diesen Triebimpulsen verbundenen Objektbeziehungen entwirft Klein zwischen 1935-1960 ihre Theorie über die depressive (1935, 1940) und die paranoid-schizoide Position (1946).

Mit den Positionen erfasst sie Konstellationen (> Konstellation) charakteristischer Ängste, Abwehrprozesse und Objektbeziehungen. Die beiden Positionen unterscheiden sich in der Dimension wachsender > Integration, die zu einem Gefühl der > Ganzheit führt (vgl. Hinshelwood, 1997). In der paranoid-schizoiden Position erlebt der Säugling seine Sensationen und Körperwahrnehmungen als durch gute oder schlechte Objekte verursacht. Analog werden primitive Liebesregungen als Ausdruck des Lebenstriebes projiziert und stellen das Urbild einer liebevollen Objektbeziehung dar. Die destruktiven Impulse werden auf das Objekt, die Mutterbrust projiziert, die dann als böse und verfolgend erlebt wird und bilden den Prototyp einer feindseligen Objektbeziehung. In der paranoid-schizoiden Position werden beide Typen von Objektbeziehungen so getrennt wie möglich gehalten, was durch die > Spaltung in ein extrem gutes (ideales) und ein extrem schlechtes (verfolgendes) Objekt erreicht wird. In dieser ganz frühen Zeit gibt es noch keine Sorge um das Objekt, sondern der Kampf um das Überleben des eigenen Selbst steht im Mittelpunkt. Die Abwehrmechanismen sind: Spaltung, Fragmentierung, > Idealisierung, omnipotente > Verleugnung und projektive Identifizierung. Das Selbst wird genauso gespalten und das schlechte Selbst wird so fern wie möglich vom guten Selbst gehalten. Wenn das gute Objekt nicht das ist, gibt es keine Erinnerung daran. Der Verlust des guten Objektes wird als anwesendes böses Objekt erlebt und die idealisierte Situation wird zu einer verfolgenden. > Objektkonstanz ist noch nicht möglich. Klein formuliert den Mechanismus der projektive Identifizierung (> Identifikation, projektive), als sie die Theorie der paranoid-schizoiden Position entwickelt (1946), als spezifische omnipotente Fantasie zur Abwehr primitiver Ängste.

Bion erweitert Kleins Theorie und betrachtet die projektive Identifizierung nicht nur als frühe Form der Abwehr, sondern als früheste Form der Kommunikation, als Vorläufer des Denkens. Für diese Kommunikation muss ein Empfänger (container) existieren, der die Inhalte entgegennimmt (contained) (> Container/Contained). Im positiven Fall werden für den Säugling bzw. den Patienten zunächst unverdauliche Gedanken, Gefühle und Ängste in den Container (Mutter, Therapeut) projiziert, von diesem empathisch aufgenommen und verstanden. Ziel einer Therapie ist die Introjektion des Containers als ein verstehendes Objekt (> Psychosetherapie), wodurch emotionales Wachstum und Denken möglich wird. Dieses Wachstum geschieht zyklisch, Organisation und Desorganisation wechseln sich ab.

Das Erreichen der depressiven Position, die sich erstmals im Alter zwischen drei und sechs Monaten zeigt, bedeutet für das Kind einen wichtigen Schritt zur psychischen Ganzheit. Das Kind gelangt zu der Einsicht, dass seine > Liebe und sein > Hass, die zuvor scheinbar getrennten Objekten gegolten hatten, sich auf dasselbe Objekt richten, was mit dem Erleben von Ambivalenz, Schuld (> Schuldgefühl > Urschuld), > Trauer und depressiver Angst (> Depression) verbunden ist. Das Hauptinteresse verlagert sich vom Überleben des Selbst hin zur Sorge um das Objekt, von dem sich das Individuum abhängig fühlt. In einem Prozess der Trauer muss die frühere Tendenz, das Objekt zu kontrollieren und zu besitzen aufgegeben und dem Objekt seine Unabhängigkeit zugestanden werden. Ohne die > Integration der depressiven Position kann sich die Fähigkeit zur > Symbolisierung und damit zur symbolischen Wiedergutmachung sowie das rationale Denken (> Denken/Denkfunktion) nicht entwickeln.

Kleinianische Analytiker waren und sind bis heute eher am psychischen Prozessgeschehen und weniger an konkreten Behandlungszielen interessiert. In der Annahme des Prozesscharakters der > Analyse, der Offenheit des psychischen Systems, der Annahme von zirkulären Prozessen sowie des Miteinbezugs geistiger und mentaler Strukturen lassen sich Berührungspunkte zu Positionen der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) ziehen. Durch das Setting der kleinianischen Psychoanalyse (hohe Frequenz von 4- 5 Sitzungen pro Woche, Liegen auf der Couch), der klaren > Abstinenz des Analytikers sowie dem Fokus auf das aktuelle Übertragungsgeschehen (> Übertragung/Gegenübertragung), kann die Bearbeitung früher Trennungs- und Abhängigkeitsängste (> Autonomie > Symbiose) sowie die Konfrontation mit der eigenen Destruktivität im Sinne des persönlichen > Schatten intensiviert werden.

Literatur:

Autor: M. Roser