Vision: Unterschied zwischen den Versionen

Aus aip-lexikon.com
Zur Navigation springenZur Suche springen
de>Anlumue
K (Textersetzung - „“ durch „“)
 
K (1 Version importiert)
 
(kein Unterschied)

Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword:Vision

Links: > Abaissement du niveau mental > Archetyp > Bewusstseinszustände, veränderte > Ekstase > Imagination > Komplex > Psychose > Religion > Symbol > Transpersonale Psychologie > Traum > Unbewusstes > Visualisierung

Definition: Vision (lat visio: Gesicht, Schauung; videre: sehen, auch im Sinne von erkennen, wissen) heißt inneres Gesicht, Erscheinung vor dem geistigen Auge. C. G. Jung befasst sich in seinem Lebenswerk mit Visionen vieler Mystiker (> Mystik) und anderer Persönlichkeiten, etwa von Angelus Silesius, Niklaus von Flüe, Ignatius von Loyola, Petrus und Paulus, von Swedenborg, Nietzsche, Schiller, sehr ausführlich mit der Vision des Zosimos, eines Gnostikers, Naturphilosophen und Alchemisten des 3. Jahrhunderts.

Er versteht Visionen als "Selbstwahrnehmungen der Libido in Gestalt von Symbolen". (vgl. Jung, GW 5, § 255) Die Vision ist eine Ausdrucksform des Unbewussten, beruht auf unbewusster Fantasietätigkeit und ist ein autonomes psychisches Phänomen. Deshalb ist sie verwandt mit > Traum, > Fantasie und Halluzination (> Bewusstseinszustände, veränderte) und kann auch entsprechend bearbeitet werden. Die Vision ist "wie ein Traum, aber im wachen Zustand". Sie tritt aus dem Unbewussten neben die bewusste Wahrnehmung und ist nichts anderes als ein momentaner Einbruch eines unbewussten Inhalts in die Kontinuität des Bewusstseins. (Jung, GW 8, § 581) Jung lehnt ab, aufgrund einer rationalistischen Haltung die Vision als "krankhaft" zu bewerten, wie auch diese reduktionistisch zu deuten. "Ein Traum oder eine Vision sind genau das, was sie zu sein scheinen. Sie sind keine Verkleidung für etwas anderes. Sie sind ein Naturprodukt, d. h. ein Ding für sich, ohne irgendwelche außer ihm liegenden Motivationen." (Jung, GW 11, § 136).

Information: Psychodynamische Grundlage der Vision ist das Vorhandensein einer starken Gegensatzspannung zwischen Unbewusstem und Bewusstsein und ein Energiegefälle (> Energie) vom Unbewussten zum Bewusstsein hin; dann bricht die Vision als autonome Sinnmanifestation ins Bewusstsein ein, führt zu einer Veränderung der bisherigen bewussten Einstellung und gibt dem Leben eine neue Richtung, so wie z. B. in der Vision des Saulus im Neuen Testament, der nach seiner Vision zum Paulus wird. In alten Kulturen werden Visionen als Erkenntnisquellen genutzt und auch gesucht. Dazu kann durch bestimmte Übungen ein > Abaissement du niveau mental herbeigeführt werden, etwa durch Fasten und Einsamkeit, um Vorbedingungen für das Zustandekommen von Visionen zu schaffen. Auch die Alchemisten (> Alchemie) erhoffen und erstreben Visionen während des alchemistischen Prozesses, die ihnen die Offenbarungen des Gesuchten ermöglichen. "In diesen Visionen treten jene Inhalte zutage, welche sich, den Alchemisten unbewusst, in die chemischen Prozesse projizieren und dann an diesen wahrgenommen werden, wie wenn sie Eigenschaften des Stoffes wären." (Jung, GW 13, § 88]]) Charakteristisch während des alchemistischen Prozesses ist die Vision von den in der schwarzen Arkansubstanz aufglühenden Funken (> Lumen > Luminosität) (vgl. Jung, GW 8, § 392]]).

Voraussetzung für das Erlebnis der Vision ist eine offen-empfangende Haltung des Ich-Bewusstseins. Die Inhalte der Vision haben meist numinosen Charakter (> Numinoses) und können tiefe emotionale Erschütterung im erlebenden Ich-Bewusstsein auslösen. Oft sind sie überpersönlich bedeutsam, symbolisieren beispielsweise religiöse und kosmische Themen (> Traum, kollektiver). Werden religiöse Visionen genuin und nicht überarbeitet zum Ausdruck gebracht und tradiert, haftet ihnen ein unbewusst oft ein häretischer Einschlag an, da sie einseitige (individuelle und kollektive) Standpunkte kompensieren (> Kompensation): "Nur Heilige haben Teufelsvisionen." (Jung, GW 11, § 791]]) Es besteht dann die Gefahr, dass die ursprüngliche Vision umgedeutet wird im Sinne entliehener Vorstellungen, weil die unmittelbare und erschütternde Erfahrung des Archetyps dazu drängen kann, ihn mit schon bekannten religiösen Inhalten zu verbinden.

Keine

Literatur: Franz, M.-L. v. (1987): Wissen aus der Tiefe; Jung, C. G. (1976]]): The Visions Seminars.

Autor: M. Rafalski