Wiederholung/Wiederholungszwang: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Wiederholung / Wiederholungszwang

Links: > Abwehr > Abwehrmechanismus > Neurose > Wiederholen > Ritual > Zwang

Definition: Wiederholung als psychodynamischer Mechanismus ist abzugrenzen und zu unterscheiden vom absichtlichen und gezielten > Wiederholen, das zu Einübung und Vertrauen führt und eine unerlässliche Bedingung, etwa beim intellektuellen, sozialen und emotionalen Lernen und Verinnerlichen von Erfahrungen, ist. Wiederholung meint hier ein unbewusstes, ungewolltes, vielleicht sogar zwanghaftes (> Zwang) Wiederholen. Dabei drängen z. B. > Beziehungsmuster, > Konflikte, > Komplexe oder traumatische Erfahrungen (> Trauma) dazu, wiederholt zu werden, ohne dass der psychodyamische Zusammenhang gleich zugänglich ist. Es entsteht oft sogar der Eindruck, als handle es sich bei dem wiederholten Erleben oder Verhalten um ein, ausschließlich durch die Gegenwart, Motiviertes. Das Verdrängte sucht in Form von > Träumen, Symptomen, im > Agieren und > Inszenieren in der Gegenwart wiederzukommen ("Wiederkehr des Verdrängten“). S. Freud: "Was so unverstanden geblieben ist, das kommt wieder; es ruht nicht, wie ein unerlöster Geist, bis es zur Lösung und Erlösung gekommen ist." (Freud, GW 7, S. 355]]) Oder anders formuliert: Was nicht erinnert, verstanden und integriert wird, wird wiederholt.

Information: Im Wiederholungscharakter mancher Handlungen, z. B. bei Zwangsritualen wird der unbewusste Konflikt auch als mehr oder weniger unverhülltes Element reproduziert, wobei dann trotzdem meist kein innerer Bezug dazu hergestellt werden kann.

Die frühen Überlegungen Freuds (> Durcharbeiten > Erinnern) etwa in „Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten“ (vgl. Freud, GW 10]]) gehen davon aus, dass Patienten Verdrängtes nicht erinnern, sondern agiern, d. h. es im Tun erinnern, ohne sich der Wiederholung bewusst zu sein. Die Theorie des Wiederholung und damit zusammenhängend der neurotischen Fixierung basiert auf Freuds Traumatheorie. Das Wiedererleben des ätiologisch zentralen > [[Traumas der Kindheit - so Freud - geschehe in der Neurose nur unvollständig, und zwar insofern, als ein steter, unbewusster > [[Zwang zur Reinszenierung des erlittenen Traumas besteht, wenn die am Trauma gebundene Energie nicht abgeführt bzw. abreagiert werden kann.

Diskussion: In der > Analytischen Psychologie wird die neurotische Entwicklung u. a. als > Dissoziation verstanden. In der Wiederholung bricht ein abgespaltener, autonomer > Komplex (> Teilpersönlichkeit) in den > Ich-Komplex, was final verstanden werden kann als ein Versuch der Reintegration (> Integration) des Komplexgeschehens mit dem Ziel, die im Komplex gebundene > [[Energie wiederzugewinnen. Wenn dies nicht gelingt, kann ein zwanghaftes Wiederholen einer komplexbesetzten Erfahrung mit entsprechenden Verhaltenweisen entstehen. In der > Neurose zeigt sich dann das kompensatorische Bemühen (> Kompensation > Selbstregulation) der Psyche, durch die Wiederholung des Traumas zu einer neuen kreativen Lösung und einer Überwindung der Spaltung zu gelangen. C. G. Jungs Auffassung des neurotischen Wiederholens ist also von seiner synthetisch-konstruktiven Auffassung (> Synthese) her geprägt. Im Wiederholungszwang, so wie ihn Freud versteht, sieht er eine kausal-reduktionistische (> Reduktion vs. Synthese) Auffassung, die die Freiheit, > [[Kreativität und Spontanität des Menschen nicht genügend berücksichtigt.

Im Wiederholungszwang kann sich also sowohl die Gefahr manifestieren, in alten Erfahrungsmustern festgehalten zu werden, als auch die Chance (> Finalität) bieten, diese alten Muster endlich in einem aktuellen Umfeld aufbrechen und erlösen zu können. Ein weiter führender Gedanke kann den Wiederholungszwang als intentionale, lösungsorientierte interne Symptomatik zu verstehen, die darauf abzielt, die Traumatisierung in ihrem Kontext der Wiederholung "selbsteinfühlend" zu verstehen.

Literatur: Freud, S. (GW 10]]): Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten; Mentzos, S. (1984]]): Neurotische Konfliktverarbeitung; Streeck, U. (Hrsg.]]) (2000]]): Erinnern, Agieren und Inszenieren.

Autor: H. Obleser / J. Schlimme