Focusing: Unterschied zwischen den Versionen

Aus aip-lexikon.com
Zur Navigation springenZur Suche springen
de>Anlumue
K (Textersetzung - „keine“ durch „“)
 
K (1 Version importiert)
 
(kein Unterschied)

Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Focusing

Links: > Assoziation > Assoziation, freie > Bewusstseinszustände, veränderte > Imagination

Definition: Focusing ist ein von Eugen T. Gendlin in den 70er Jahren des 20. Jh. geprägter Begriff für eine psychotherapeutische Vorgehensweise, die es ermöglicht, sehr direkt mit dem Unbewussten (> Unbewusstes), den körperlichen Empfindungen, Emotionen (> Emotion), Komplexen (> Komplex) und Symbolen (> Symbol) in Kontakt zu kommen. Es ist eine Methode, die sich sehr gut mit den Auffassungen der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) verbinden lässt. Gendlin, Schüler von C. Rogers, dem Begründer der > Gesprächspsychotherapie und dessen Nachfolger an der Universität Chicago, hat aufgrund eigener intensiver Untersuchungen zur Frage, ob und wie man schon frühzeitig erfolgreiche von nichterfolgreichen Therapien unterscheiden könne, herausgefunden, dass Menschen von einer Beratung oder Therapie besonders dann profitierten, wenn sie die Fähigkeit besitzen oder erworben haben, achtsam ihre inneren Vorgänge wahrzunehmen, wenn es ihnen gelingt, in einer offen-entspannten Weise mit ihren Gefühls- und Körperreaktionen in Verbindung zu treten.

Information: Das Focusing ähnelt vielen assoziativen (> Assoziation) und meditativen Methoden, bei denen man sich auf eine Thematik, ein Symbol, eine Frage einstellt und dann auf Empfindungen, Gefühle, Fantasien und Begriffe wartet, die als Reaktion aus dem Unbewussten (> Unbewusstes) „aufsteigen“. Das ist ein vielen Menschen vertrautes Vorgehen, wenn sie sich mit einem Thema schöpferisch beschäftigen und sich auf leidenschaftliche und engagierte Weise um die Lösung eines Problems bemühen. Grundsätzlich kann jedes Thema, jede Frage in den Fokus der Aufmerksamkeit gestellt werden, und so hat das Focusing als Methode auch in vielen Lebensbereichen Anwendung gefunden, in beratenden und therapeutischen Gesprächen, in Pädagogik und Didaktik, im Management. Der allgemeine Ablauf einer Focusing-Übung ist folgender:

1. Raum schaffen. Rückzug an einen ungestörten Ort, Entspannung, innere Problemfelder durchgehen, sortieren, die zentrale Frage herausfinden.

2. Felt Sense. Sich auf die zentrale Frage einstellen, sich von ihr „anmuten“ lassen, sie in wohlwollender Achtsamkeit wirken lassen, ohne ihr vorschnell eine bestimmte Richtung oder eine bestimmte Antwort zu geben. Offenbleiben, Aushalten der anfänglichen, frustrierenden Unbestimmtheit, Widersprüchlichkeit und Unklarheit. Die sich dabei einstellende unbestimmte körperliche Empfindung, die ein Ausdruck aller an dieser Frage beteiligten Stimmungen, Empfindungen, Gefühle und Intuitionen ist, nennt Gendlin „felt sense“, was so viel wie eine nur erst körperlich empfundene Bedeutung des Problems und der Antwort darauf meint.

3. Finden eines Griffs. Nachdem sich „felt sense“ deutlich eingestellt hat, kann man zum nächsten Schritt übergehen, der eine Art freie, umkreisende Assoziation ist, eine Art inneres Suchen nach dem treffenden Ausdruck. Dieses Suchen nach dem passenden, ganzheitlichen Ausdruck nennt Gendlin „einen Griff finden“ (an dem sich das Problem handhaben, d. h. es sich bewusst machen). Es kann sich um ein Wort, ein Begriff, ein Bild, ein Symbol handeln.

4. Vergleich. Überprüfen und vergleichen, ob das Wort, der Begriff wirklich mit dem Felt Sense übereinstimmt. Wenn dies zutrifft, tritt spontan ein Gefühl der Erleichterung, ein inneres Aufatmen, ein „Aha!“-Erlebnis ein, das Gendlin „shift“ nennt, was eine Art innere, körperseelische Bewegung meint, eine erleichternde Aufwärtsbewegung eines unbewussten Inhalts in die Bewusstwerdung hinein. Daraus entstehen Lust und Befriedigung, wie sie mit jeder schöpferischen Leistung im Kleinen wie im Großen verbunden ist.

5. Annehmen und schützen. Die gewonnenen Einsichten und Erfahrungen sollen dankbar und mit Freude angenommen werden, ohne sie gleich zu beurteilen oder über Konsequenzen nachzudenken.

6. Vertiefendes Focussieren. Der Prozess des Focusing ist an dieser Stelle oft noch nicht abgeschlossen, die gleiche oder eine sich aus dem Focussing ergebende neue Frage können wiederum ins Zentrum der fühlenden Besinnung gestellt werden.

Literatur: Gendlin, E. (1981): Focusing; Gendlin, E.; Wiltschko, J. (1999): Focusing in der Praxis: eine Schulen übergreifende Methode für Psychotherapie und Alltag.

Autor: L. Müller