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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Schatten
Links: > Abwehr > Aggression > Böses > Ethik > Macht > Moral > Schatten, archetypischer > Schatten, persönlicher > Schatten in den Gottesbildern > Stimme, innere > Über-Ich-Entwicklung > Zwang
Definition: Der Schatten - abgeleitet von der indogerm. Wurzel skot: Dunkel, Schatten - ist ein bildhafter Begriff, den die Analytische Psychologie für alle jene dunklen Seiten und ungelebten Anteile verwendet, die jeder Mensch zwar hat, aber nicht wahrhaben will. Der Schatten bezeichnet zwei Bereiche: 1. das Unbewusste, also den Bereich der Gesamtpsyche, den das Ich-Bewusstsein aufgrund einer aktuellen Situation oder prinzipiell nicht wahrnehmen kann; 2. das vom Ich-Bewusstsein Abgelehnte, das Inkompatible, das auch die Schwächen und die moralisch dunkle Seite (> Böses > Moral) der Persönlichkeit umfasst. Darüber hinaus unterscheidet die Analytischen Psychologie den persönlichen Schatten (> Schatten, persönlicher > Unbewusstes, persönliches) vom archetypischen Schatten (> Schatten, archetypischer > Unbewusstes, kollektives).
Information: Der Schatten bezieht sich auf alle Eigenschaften, Fähigkeiten, Gefühle, Gedanken, Fantasien und Handlungen, die von der jeweiligen Kultur und Gesellschaft als negativ und sogar destruktiv angesehen werden, wie z. B. Intoleranz, Gewalttätigkeit, Rassismus, Egoismus, Hass, Eifersucht, Rachsucht, Neid, Habgier, Geiz oder Hochmut, aber auch auf die verschiedensten Aspekte des menschlichen Wesens, die jemand im Laufe seiner Erziehung und Entwicklung als nicht zu sich gehörig anzusehen gelernt hat, weil sie ihm schlecht, fehlerhaft, minderwertig, verboten oder tabuisiert vorkommen (ohne es in jedem Fall auch wirklich sein zu müssen). Welche Qualitäten und Inhalte der Persönlichkeit also ins Unbewusste und Dunkel verdrängt werden und welche akzeptiert und in der Helligkeit des Bewusstseins stehen, ist zu einem hohen Teil abhängig von den familiären, sozialen und kulturellen Normen, Wertvorstellungen und Idealen, mit denen sich der Mensch identifiziert (> Identifikation).
In der Regel werden die Schattenanteile nach außen projiziert (> Projektion), weil sie dem Ich als Anteil der eigenen Persönlichkeit nicht bewusst sind und abgewehrt werden (> Abwehr > Abwehrmechanismen). Die Schattenprojektion ist meist von starken Emotionen begleitet: Ohne allen Zweifel wird der Grund für negative Gefühle, die in einem sind, beim anderen vermutet und damit kehrt das in den Schatten Verdrängte über den Projektionsmechanismus wieder zurück (vgl. auch Identifikation, projektive). Überall da, wo ein Zuviel an > Emotion und > Ärger in eine Angelegenheit fließt, kann eine Schattenprojektion vermutet werden. Die kollektive Projektion von Schattenanteilen wird überall dort offensichtlich, wo Menschen oder Gruppen durch Abwertung oder Kränkung zum > Sündenbock für eine projizierende Masse werden: Eigene abgedrängte sexuelle Wünsche oder kriminelle Neigungen können auf die Menschen der sogenannten Halb- und Unterwelt projiziert werden, Aggressionen, Macht und Geldgier auf Minderheiten und andere Völker. Bei ihnen wird gesucht und gefunden, was man bei sich selber ablehnt.
Oft mischen sich in kollektive Sündenbockprojektionen auch archetypische Schattenanteile, sodass das Böse im anderen weit über das allgemeine menschliche Maß hinaus geht und der Feind zum Träger des absolut Bösen und Schlechten wird, sodass er gnadenlos verfolgt, bekämpft und vernichtet werden muss.
Viele Menschen empfinden es als unerträglich, den eigenen Schatten anzuerkennen und mit den bisher verdrängten Energien und Fantasien bewusst umgehen zu müssen. Oft werden Schatteninhalte subjektiv als etwas Destruktives im eigenen Inneren erlebt und sind mit Scham- und Schuldgefühlen verbunden. Von außen häufig nicht sichtbar, tritt das Destruktive als inneres Erlebnis dem Ich-Bewusstsein entgegen, zeigt sich beispielsweise in ungewollten Fantasiebildern mit oft zerstörerischen Affekten, als > Fehlleistungen, als lähmende > Depression oder auch als Sucht-Impuls. "Die tollsten und ergreifendsten Dramen spielen bekanntlich nicht im Theater, sondern in den Herzen bürgerlicher Menschen, an denen man achtlos vorübergeht und die höchstens durch einen nervösen Zusammenbruch der Welt verkünden, was für Schlachten in ihrem Innern geschlagen werden." (Jung, GW 7, Anh. S. 280]])
Der Schatten kann durchaus auch positive Qualitäten besitzen, insbesondere dann, wenn das Ich-Bewusstsein von negativen Selbstbildern und > Minderwertigkeitsgefühlen dominiert ist. Ein Mensch mit einem solchen negativ aufgeladenen Ich-Komplex neigt dazu, eigene positive Aspekte, oft auch den mutigen, lebensstarken Menschen in sich, zu verdrängen und in seinem Schattenkomplex unter Verschluss halten. Wenn C. G. Jung sagt, dass der Schatten zu 90% aus reinem Gold bestehe, dann meint er zum einen damit, dass mit der dauernden Abwehr des Schattens ein Großteil seelischer Energie verbraucht wird, die für die Kreativität und Lebendigkeit viel besser verwendet werden kann und zum anderen, dass auch sehr viele Seiten in den Schattenbereich verdrängt werden, die kostbar und positiv sind, die aber irgendwann als schlecht, ungehörig, unverschämt und sündig dargestellt und mit negativen Aussagen verbunden worden sind. Dazu gehören beispielsweise Neugier und Kreativität, Mut, Eigensinn, Autonomie, Selbstbehauptung, Spontanität, Fantasie oder Sexualität.
Literatur: Franz, M.-L. v. (1985 b]]): Der Schatten und das Böse im Märchen; Kast, V. (2001): Der Schatten in uns; Schnocks, D. (1998): Der Schatten unserer Seele; Zweig, C., Abrams, J. (Hrsg.) (1993): Die Schattenseite der Seele.
Autor: D. Schnocks