Philosophie/Philosophia perennis
Keyword: Philosophie/Philosophia perennis
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Definition: Philosophie (griech. philos: liebend; griech. sophia: Weisheit; Liebe zur Weisheit) ist bei den Sokratikern die Liebe zur Wahrheit und bei Heraklit ein Forschen nach der Natur der Dinge. Philosophie ist Spiegel des menschlichen Geistes (> Geist > Logos-Prinzip) und der menschlichen Bewusstseinsentwicklung. Sie beschäftigt sich in allen Zeiten und Kulturen mit den immer ähnlichen Grund- und Sinnfragen (> Sinn) des Menschseins und hat immer einen erkenntnistheoretischen (> Erkenntnistheorie), einen metaphysischen (> Metaphysik) und einen ethischen und rechtlichen (> Ethik > Ethik, neue > Ethik, therapeutische > Moral), außerdem einen logischen (Logik), einen auf die Natur bezogenen und einen ästhetischen (> Kunst) sowie einen sozialen und psychologischen (> Analytische Psychologie) Aspekt.
Information: Die einzelnen philosophischen Richtungen werden unterschiedlich geordnet, z. B. nach Schulen, Strömungen und Systemen (Sokratiker, Epikureer, Scholastiker etc.), nach den führenden Denkern (aristotelisch, platonisch), ideengeschichtlich (Idealismus, Realismus) oder auch geografisch (europäische, arabische, indische und chinesische Philosophie). Im Mittelalter wird außerdem unterschieden zwischen Weltweisheit und der Gottesweisheit (Theologie). Die Weltweisheit wird mit dem Licht der natürlichen Vernunft gewonnen, während die Theologie (> Religion) im übernatürlichen Licht der göttlichen Offenbarung oder der göttlichen Vernunft zur Weisheit und Wahrheit kommt (> Logos-Prinzip > Mystik). Aus der antiken Philosophie, etwa der Naturphilosophie, der Logik und Mathematik entwickeln sich die modernen Naturwissenschaften. Die anthropologischen, existenzphilosophischen, ontologischen, kosmologischen, philosophischen Ansätze der Antike und des Mittelalters fließen in die moderne Psychologie ein.
Nicht nur S. Freud und C. G. Jung, auch viele andere "Väter" psychologischer und tiefenpsychologischer Theorien sind von ihrer Grundausbildung her Mediziner und Naturwissenschaftler und ihrem geisteswissenschaftlichen Hintergrund her zugleich Philosophen. Jung wird in seinen Vorstellungen beeinflusst von den Gnostikern (> Gnosis), Neuplatonikern, Kirchenvätern, Mystikern (> Mystik) und Hermetikern (> Hermetik), von der romantischen Philosophie und der Naturphilosophie (Goethe, Schelling, Schleiermacher, Schubart, Fichte, Nietzsche, Carus, Schopenhauer und E. von Hartmann), wie auch von den östlichen Philosophien (> Philosophie, östliche).
Vor diesem Hintergrund kann er auch als einer der modernen Vertreter der, von A. Huxley (Huxley, 1987) in Anlehnung an Leibniz beschriebenen, "philosophia perennis" (ewige, immerwährende Philosophie oder Weisheit) gesehen werden, die den Versuch macht, die gemeinsamen Grundaussagen der verschiedenen Weltreligionen und mystischen Systeme zusammenzufassen. Hierbei ergeben sich folgende essenzielle Vorstellungen:
1. Die materielle Welt der Erscheinungen und des individuellen Bewusstseins - die Welt der Dinge, Tiere, Menschen und sogar der Götter - werden als Manifestation eines göttlichen Urgrundes aufgefasst, in dem alle einzelnen Realitäten ihr Dasein haben, ohne den sie nicht existieren würden (> [[Einheitswirklichkeit, > Unbewusstes, kollektives > Selbst > Unus mundus); 2. Die Menschen können nicht nur durch Schlussfolgerungen etwas über den göttlichen Urgrund wissen, sondern sind fähig, seine Existenz unmittelbar zu erfahren, wodurch ihnen bewusst wird, dass sie eins mit dem Erfahrenen sind (> Individuation > Individuationsprozess > Selbst); 3. Der Mensch besitzt eine Doppelnatur, das in Erscheinung tretende Ich und das ewige Selbst, das den inneren Menschen ausmacht, den Geist, den Funken der Göttlichkeit in der Seele (> Ich/Ich-Bewusstsein > Ich-Selbst-Achse > Selbst); 4. Das Erdenleben des Menschen hat vor allem ein Ziel: sich des ewigen Selbst bewusst zu werden und somit zu einer vereinigenden Erkenntnis des göttlichen Urgrundes zu kommen (> Individuation > Individuationsprozess)
Natürlich müssen diese Kernthesen unter der konstruktivistischen Perspektive (> Konstruktivismus) der Analytischen Psychologie modifiziert werden. Die Analytische Psychologie will keine Aussage über das metaphysische Sein an sich (> Metaphysik) machen, sondern nur über die in und durch die Psyche und das Bewusstsein erfahrbaren Aspekte, Vorstellungen, Bilder und Symbole. Alle Erkenntnis und alle Philosophie ist für Jung ein Aspekt der Psychologie, denn "das der Philosophie zugrunde liegende Denken ist eine psychische Tätigkeit, die als solche Gegenstand der Psychologie ist. Ich denke bei der Psychologie immer an den ganzen Umfang der Seele, und da ist Philosophie und Theologie und so vieles andere mit dabei. Denn gegenüber allen Philosophien und allen Religionen stehen die Tatsachen der menschlichen Seele, welche vielleicht in letzter Instanz über Wahrheit und Irrtum entscheiden." (Jung, GW 8, § 525)
Literatur: Evers, T. (1987): Mythos und Emanzipation; Huxley, A. (1987): Die ewige Philosophie; Spies, D. (1984): Das Weltbild der Psychologie Jungs.
Autor: A. Müller