Entwicklungspsychologie

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Keyword: Entwicklungspsychologie

Links: > Adoleszenz > Bewusstseinsentwicklung > Eltern > Individuation > Individuationsprozess > Kindheit/Kindheitsphasen > Kinderpsychotherapie, analytische: Praxis > Lebenswende > Pubertät

Definition: Unter Entwicklung wird die Veränderung eines ganzheitlichen Gebildes in der Zeit, durch das Einwirken bestimmter Kräfte, verstanden. Entwicklungspsychologie meint auch, zu etwas Neuem werden und in etwas anderes übergehen. Aus einer zunächst statistischen und deskriptiven Entwicklungspsychologie der Anfangszeit ist die moderne Entwicklungspsychologie erwachsen, die sich vor allem darum bemüht, die Dynamik der Kräfte, wie sie in der menschlichen Entwicklung zu beobachten sind, zu verstehen.

Information: Bis ca. 1933 werden in der akademischen Entwicklungspsychologie überwiegend Abschnitte von Kindheit und Jugend beschrieben, erst Ch. Bühler bezieht das ganze menschliche Leben mit ein. C. G. Jungs Interessenschwerpunkt hingegen ist schon immer die Entwicklung des erwachsenen Menschen gewesen, wie es sich u. a. im Konzept der > Individuation zeigt. M. Fordham und E. Neumann entwickeln beide ihr eigenes entwicklungspsychologisches Konzept auf der Basis der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie). Neumanns entwicklungspsychologische Überlegungen beziehen sich zuerst auf die Entwicklung des menschlichen Bewusstseins und deren Spiegelung und Wiederholung in der Entwicklung des Einzelnen (Neumann, 1949 a) und später auch auf die Phasen der Entwicklung des kindlichen Ichs (Neumann, 1963). Orientiert hat sich Neumann in seinen entwicklungspsychologischen Untersuchungen dabei an den klassischen Vorstellungen Jungs vom > Selbst als organisierendem Zentrum in der Psyche und an der Entwicklung des Ichs aus dem Selbst (> Ich-Selbst-Achse). Er setzt sich auseinander mit den klassischen entwicklungspsychologischen Vorstellungen der > Psychoanalyse, sowohl mit den triebtheoretischen, als auch mit den Vorstellungen des primären Narzissmus und mit M. Klein (> Kleinianische Psychoanalyse) und arbeitet deutlich seine unterschiedlichen Vorstellungen aus. Auch Fordham greift zurück auf den Begriff des primären Narzissmus und auf M. Kleins Theorien und entwickelt in teilweiser Übereinstimmung und teilweiser Abgrenzung das Konzept vom primären Selbst. Wie bei Neumann, so sieht auch Fordham das Gelingen der Entwicklung des Kindes in Abhängigkeit von der Fürsorge der Mutter. Die Rolle von Mutter und Kind in der Urbeziehung wird bei ihm aber mit unterschiedlichem Schwerpunkt dargestellt.

Zahlreiche tiefenpsychologische Autoren haben sich inzwischen mit der menschlichen Entwicklung befasst und auch zunehmend das gesamte Leben mit in ihre Überlegungen einbezogen. Sie entwickeln im allgemeinen Stufen- oder Phasenmodelle. Die entwicklungspsychologischen Phasen von E. H. Erikson, M. Mahler und L. Kohlberg sind dabei von besonderem Interesse für die > Analytische Psychologie geworden.

Erikson übernimmt zwar die triebdynamischen Phasen von Freud mit kleinen Erweiterungen, fügt aber zusätzlich acht psychosoziale Phasen ein. Er ermöglicht damit eine Sichtweise, in der die Entwicklung nicht nur auf Kindheit und Jugend beschränkt bleibt, sondern auch noch die Wichtigkeit der Entwicklungen des Erwachsenenalters dokumentiert. Er ordnet die Phasen folgendermaßen:

Vertrauen gegen Misstrauen – oral respiratorische Phase; Autonomie gegen Scham und Zweifel – anal urethrale Phase; Initiative gegen Schuldgefühl – infantil genitale Phase; Werksinn gegen Minderwertigkeitsgefühl – Latenzzeit; Identität und Ablehnung gegen Identitätsdiffusion – Pubertät; Intimität und Solidarität gegen Isolierung – Genitalität; Generativität gegen Selbstabsorption – Erwachsenenalter; Integrität gegen Verzweiflung – spätes Erwachsenenalter.

M. Mahler untersucht, unter ichpsychologischem Aspekt, (> Ich-Psychologie) die menschliche Entwicklung der ersten drei Lebensjahre, insbesondere im Hinblick auf den Loslösungs- und Individuationsprozess, der bei ihr nicht gleichzusetzen ist mit dem Begriff in der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie). Ihre Beobachtungen und die von Fordham und Neumann weisen zahlreiche Parallelen auf. Bei ihr steht am Anfang der Entwicklung eine normale autistische und symbiotische Phase (> Symbiose), die ähnlich der Vorstellung eines in sich selbst enthaltenen und um sich selbst kreisenden Säuglings (self-contained und self-centered) bei Fordham und der pleromatischen Phase bei Neumann verstanden werden kann. Der darauf folgende Separations- oder Loslösungsprozess wird von ihr in vier Subphasen unterschieden: Differenzierung und Entwicklung des Körperschemas; die Phase des Übens mit narzisstischem Hochgefühl; die Krise der Wiederannäherung und die Konsolidierung der Individualität. Ergebnis dieser Konsolidierung ist für sie die Geburt des Ich.

L. Kohlberg befasst sich in der Weiterentwicklung von J. Piagets Gedanken mit der Moralentwicklung. Als Ergebnis seiner Forschungen beschreibt er drei Hauptniveaus der moralischen Entwicklung des Menschen, die dann jeweils in zwei Stufen unterteilt sind: 1. prämoralisches Niveau (Orientierung an Strafe an Gehorsam; instrumenteller Hedonismus). 2. Niveau: Moral der konventionellen Rollenkonformität (Moral des guten Kindes, das gute Beziehungen aufrechterhält und die Anerkennung der anderen sucht; Moral der Aufrechterhaltung von Autorität). 3. Niveau: Moral der selbst-akzeptierten moralischen Prinzipien (Moral des Vertrages, der individuellen Rechte und des demokratisch anerkannten Gesetzes/Rechtssystem; Moral der individuellen Gewissensprinzipien).

Diese Stufen ordnet Kohlberg dann weiteren 32 Aspekten der Moralität zu. Die von ihm so unterschiedenen Verhaltens-, Gefühls-, und Urteilsdimensionen moralischer Handlungen sind am Prozess der > Internalisierung beteiligt.

Literatur: Erikson, E. H. (1966): Identität und Lebenszyklus; Flammer, A. (2008): Entwicklungstheorien.; Fordham, M. (1948): Vom Seelenleben des Kindes; Kohlberg, L. (1996): Die Psychologie der Moralentwicklung; Mahler, M. et. al. (1978): Die psychische Geburt des Menschen; Neumann, E. (1963): Das Kind.

Autor: H. Stark-Völz