Dualismus

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Keyword: Dualismus

Links: > Archetypische Psychologie > Coniunctio/Mysterium Coniunctionis > Ganzheit > Gegensatz > Monismus > Polarität > Prozess, dialektischer

Definition: Dualistische (lat. duo: zwei; Zweiheit; Gegensätzlichkeit; Zweiheitslehre) Vorstellungen von Leben und Welt gehen davon aus, dass alles Sein aus zwei gegensätzlichen und unvereinbaren Prinzipien besteht: Leben und Tod, Sein und Nichtsein, Geist und Materie, Gut und Böse, Gott und Teufel, Wahrnehmen und Denken. Im Gegensatz dazu sieht der Monismus (lat. mono: eins, Einheit) eine Ureinheit, eine Ursubstanz, eine göttliche Ausgangsbasis, aus der heraus sich die Gegensätze bilden.

Information: Dualismus findet sich teilweise auch im Christentum und in seinen jüdischen Wurzeln, auch in der > Gnosis als Leib-Seele-Dualismus. Der zur Gnosis gehörende Manichäismus betont den Gegensatz von Licht und Finsternis. Ein doppelter Dualismus findet sich im Parsismus: Geist und Materie wie Gut und Böse stehen zueinander im Gegensatz. Eines der ältesten religionsphilosophischen Systeme Indiens, die Samkhya-Philosophie, unterscheidet Materie (prakriti) und Geist (puruscha). In der abendländischen Philosophie erlangt der Dualismus bei Descartes Bedeutung. Im Gegensatz zum Dualismus stehen monistische Theorien (lat. mono: eins, Einheit), die eine einzige Substanz annehmen, aus der alles Sein sich differenziert. Dualistisches Denken führt, konsequent gedacht, zur > Spaltung. Diese Spaltung versucht G. Hegel in seiner Dialektik (> Prozess, dialektischer) zu überwinden, indem er zu den einander ausschließenden Positionen von These und Antithese eine, beide zusammenführende und darüber hinausgehende, Synthese hinzufügt.

Die Bildung der Synthese aus den Gegensätzen, die über die Gegensätze hinausführt, durchzieht C. G. Jungs ganzes Werk als Ziel der > Individuation (> Coniunctio/Mysterium Coniunctionis > Funktion, transzendente > Gegensatz > Polarität). Die im > Christentum daraus resultierende Spaltung von Gott und Teufel, hält Jung für falsch und schädlich (> Böses > Schatten) und setzt sich immer wieder sehr intensiv damit auseinander, etwa in seiner Antwort auf Hiob (Jung, GW 11). Die Vorstellung Jungs vom Unbewussten (> Unbewusstes) und vom > Selbst ist eine monistische und eine dialektische. Im kollektiven Unbewussten (> Unbewusstes, kollektives) und im > Selbst als prima materia (> Alchemie > Pleroma) ist zunächst unterschiedslos alles, was sich entwickeln und differenzieren kann, enthalten. Über komplexe Interaktions- und Differenzierungsprozesse (> Differenzierung) entwickeln sich Aspekte in eine Richtung, bewegen sich auf einen Pol hin, wodurch der archetypisch gegebene andere Aspekt ins Dunkel fällt, unbewusst, ungeübt, undifferenziert bleibt und zum dunklen Gegenpol oder Gegenspieler werden kann. In dieser Auffassung werden Gut und Böse zu Polaritäten eines größeren Ganzen, Gott und Teufel sind die helle und die dunkle Seite des Göttlichen und als solche nicht aufhebbar.

Der scheinbar unversöhnliche > Gegensatz von Dualismus und Monismus wird in der Neuzeit, vor allem seit der abendländischen Aufklärung, etwa in der Monadenlehre und durch die Entwicklung des dialektischen Denkens, um pluralistische (lat. plures: viele), perspektivistischen (lat. perspicere: durchblicken) und holistische (griech. holo: ganz, vollständig) Denkansätze erweitert. Eine solche pluralistisch-perspektivische Sicht betont, dass der menschliche Geist ein absolutes Bewusstsein, einen göttlichen Geist oder eine göttliche Ursubstanz als solche nicht erkennen kann und dass jede „Monade“ (> Holon) das Gesamte darstellt, aber in und aus einer jeweils spezifischen Perspektive. die > Analytische Psychologie und ihre polare, dialektische Betrachtungsweise steht diesen (weiteren, modernen und) konstruktivistischen Ansätzen sehr nahe.

Autor: A. Müller