Gottesbild
Keyword: Gottesbild
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Definition: In der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) findet die Arbeit an der > Individuation, der Sinnfindung (> Sinn) und der Auseinandersetzung mit dem persönlichen Gottesbild besondere Beachtung. Anders als in der Theologie und im praktizierenden > Christentum wird in der Analytischen Psychologie nicht direkt von Gott, sondern vom Gottesbild gesprochen, womit deutlich gemacht werden soll, dass alles, was von Gott gesagt werden kann, eine menschliche Redeweise und eine psychologische Aussage ist. Indem man sich mit dem Gottesbild befasst, setzt man sich mit Vorstellungen, Bildern (> Bild) und Projektionen (> Projektion) der Menschen auseinander und nicht direkt mit Gott. Vielfach weist Jung darauf hin: „Das Bild, das wir von Gott haben oder uns machen, ist doch nie losgelöst vom Menschen“ (Jung, GW 18/2 § 1508).
Information: Zu den vielgestaltigen Aspekten des Gottesbildes gehört alles, was die Menschen durch ihren Glauben und ihre Vorstellungen mit Gott verbinden, alles was jemandem heilig (> Numinoses) ist und ihn „unbedingt angeht“ (P. Tillich). “Ich will hier einmal -ausnahmsweise – transzendent spekulieren bzw. <<dichten>>: Gott hat allerdings, ohne Mithilfe des Menschen, ein unbegreiflich herrliches und zugleich unheimlich widerspruchsvolles Bild von sich selber gemacht und es dem Menschen als einen Archetypus [..] ins Unbewusste gelegt, nicht damit die Theologen aller Zeiten und Zonen sich darüber in die Haare geraten, sondern damit der nicht anmaßliche Mensch in der Stille seiner Seele auf ein ihm verwandtes, aus seiner eigenen seelischen Substanz erbautes Bild blicken mag, welches alles in sich hat, was er sich je über seine Götter oder über seinen Seelengrund ausdenken wird.“ (Jung, GW 11, Anhang, S. 661)
Neben den theologischen und kollektiven Vorstellungen über Gott wird das persönliche Gottesbild vor allem durch die religiöse Erziehung der Eltern, die kirchliche Unterweisung und Verkündigung geprägt. Auf diesen Wegen und durch zahlreiche andere Erfahrungen können ganzheitliche und hilfreiche Gottesbilder vermittelt werden, die das Glaubensleben und das seelische Erleben fördern. Zum anderen können durch neurotische Menschen auch neurotische Gottesbilder vermittelt werden, die Angst machend wirken und lebensfeindlich sind (> Neurose, ekklesiogene). Während die anerkannten kirchlichen Symbole und Gottesbilder meistens über mehrere Generationen hin reflektiert und vermittelt werden, werden die individuellen Gottesbilder meistens spontan in den Träumen geboren und aus der Seele hervorgebracht. Sie bilden wichtige Bausteine und das grundlegende Material für das persönliche Gottesbild eines Menschen und sind darüber hinaus auch wichtige Mosaiksteine für das kollektive Gottesbild der Kirche und der Gesellschaft. Nach Analytischem Verständnis ist das Gottesbild eine Spiegelung des > Selbst und dieses wiederum steht mit der Ebenbildlichkeit des Menschen mit Gott in Beziehung. “Dass die Gottheit auf uns wirkt, können wir nur mittels der Psyche feststellen, wobei wir aber nicht zu unterscheiden vermögen, ob diese Wirkungen von Gott oder vom Unbewussten kommen, das heißt, es kann nicht ausgemacht werden, ob die Gottheit und das Unbewusste zwei verschiedene Größen seien [..] Das Gottesbild koinzidiert, genau gesprochen, nicht mit dem Unbewussten schlechthin, sondern mit einem besonderen Inhalt desselben, nämlich mit dem Archetypus des Selbst. Dieser ist es, von dem wir empirisch das Gottesbild nicht mehr zu trennen vermögen. Man kann zwar arbiträr eine Verschiedenheit dieser beiden Größen postulieren. Das nützt uns aber gar nichts, im Gegenteil hilft es nur dazu, Mensch und Gott zu trennen, wodurch die Menschwerdung Gottes verhindert wird. Gewiss hat der Glaube recht, wenn er dem Menschen die Unermesslichkeit und Unerreichbarkeit Gottes vor Augen und zu Gemüte führt; aber er lehrt auch die Nähe, ja Unmittelbarkeit Gottes, und es ist gerade die Nähe, die empirisch sein muss, soll sie nicht völlig bedeutungslos sein. Nur das, was auf mich wirkt, erkenne ich als wirklich. Was aber nicht auf mich wirkt, kann ebenso gut nicht existieren. Das religiöse Bedürfnis verlangt nach Ganzheit und ergreift darum die vom Unbewussten dargebotenen Ganzheitsbilder, die, unabhängig vom Bewusstsein, aus den Tiefen der seelischen Natur aufsteigen.“ (Jung, GW 11, §757)
Während die Theologie mehr den qualitativen Abstand zwischen Gott und dem Menschen betont, geht es C. G. Jung in seiner Psychologie mehr darum, die Beziehungen zwischen beiden Polen zu ermöglichen, damit Menschen persönliche spirituelle Gotteserfahrungen machen können. Durch Jungs Kritik am zu einseitigen patriarchalen Gottesbild einerseits und gemäß seiner Empfehlung, auch die Weiblichkeit Gottes und die Anima Jesu, sowie die Dunkelseite im Gottesbild zu beachten, werden von vielen Menschen seit Jahrzehnten ganzheitliche Gottesbilder entwickelt. Auch trägt die feministische Theologie sehr maßgeblich dazu bei, der Vielgestaltigkeit der Gottesbilder mehr Raum zu verschaffen. Dazu kommt es seit dem Zweiten Weltkrieg zu einem zunehmenden transkulturellen Austausch und damit einhergehender Begegnungen mit anderen Religionen. Dazu gehören auch die Partnerbeziehungen und Eheschließungen zwischen Menschen aus verschiedenen Kulturen und Religionen. Durch diese vielfältigen Erfahrungen lernen bereits die Kinder dieser Familien verschiedene Gottesbilder kennen, sodass das, von dem Theologen Hans Küng geforderte, Weltethos (Küng, 1990) zum Frieden zwischen den Religionen beitragen kann.
Jungs Beitrag zu einem ganzheitlichen Gottesbild besteht darin, dass dessen Gegensätzlichkeit (> Gegensatz) erkannt und anerkannt wird und durch spirituelle Symbole (> Symbol) versöhnt werden kann. “Wer es erfahren hat, dass von Natur aus durch das Symbol Gegensätze sich so einen können, dass sie nicht mehr auseinander streben und sich bekämpfen, sondern sich gegenseitig ergänzen und das Leben sinnvoll gestalten, dem wird die Ambivalenz im Bild eines Natur- und Schöpfer Gottes keine Schwierigkeiten verursachen. Er wird im Gegenteil den Mythos von der notwendigen Menschwerdung Gottes, der essenziellen christlichen Botschaft, als schöpferische Auseinandersetzung des Menschen mit den Gegensätzen und ihre Synthese im Selbst, der Ganzheit seiner Persönlichkeit, verstehen“ (Jung, Jaffé, 1962, S. 340)
Literatur: Hark, H. (1980): Religiöse Traumsymbolik; Jung, C. G., Jaffé, A. (1962): Erinnerungen, Träume, Gedanken von C. G. Jung; Schellenbaum, P. (1981): Stichwort: Gottesbild.
Autor: H. Hark