Kreativität, Phasen der
Keyword: Kreativität, Phasen der
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Definition: In der Kreativitätsforschung (> Kreativität) werden verschiedene Phasen des schöpferischen Prozesses beschrieben, die sich mit den Ansätzen der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) und der psychologischen Interpretation des alchemistischen Prozesses (> Alchemie) gut vereinbaren lassen. Grundgedanke der Analytischen Psychologie ist, dass der Mensch sich immer wieder auf das ungelebte Potenzial des > Unbewussten und des > Selbst beziehen muss, wenn er aktiv und schöpferisch bleiben möchte. Dies geschieht durch einen dauernden Kreisprozess der > Regression und der > Progression (Enantiodromie), der > De(s)integration und > Integration, der > Desidentifikation und der > Identifikation.
Information: Der obere Punkt (1) in dem Yin-Yang-Kreismodell stellt den Zustand der höchsten Ausprägung des Ich-Bewusstseins (> Ich/Ich-Bewusstsein) (weiße Fläche) dar, der untere Punkt (3) den Zustand der stärksten Wirksamkeit unbewusster Wirkfelder (schwarze Fläche). Die Punkte (2) und (4) bezeichnen kritische Wendepunkte, in denen Bewusstes und Unbewusstes ineinander übergehen und ihre Dominanzen ändern. Zwischen diesen Punkten befinden sich vier Kreisabschnitte, die als Phasen 1 - 4 mit den Begriffen der Kreativitätsforschung gekennzeichnet sind und welche die Bewegung des psychischen Prozesses von jeweils einem Punkt zum nächsten versinnbildlichen.
Die Phase 4 - Punkt (4) in Richtung Punkt (1) verlaufend, Anfangs- und Endphase - bezeichnet die Realisierung eines Sachverhaltes, ein ständiges Zunehmen und Erstarken einer bestimmten Einstellung, damit aber auch eine zunehmende Vereinseitigung und Verfestigung seiner Position, die im ersten Punkt ihren Höhepunkt findet. (> Bewusstsein, patriarchales) Beispielsweise hat jetzt eine bestimmte Einstellung, eine Auffassung oder eine Lebensweise der Person ihre klarste Ausprägung und vollständigste Realisierung (> Integration) gefunden. In dieser Position neigt man dazu, die erreichte Position oder Erkenntnis für einen endgültigen Zustand zu halten, sich mit ihr vollständig zu identifizieren und in ihr zu verharren. Im Kreismodell tritt jetzt - am kleinen schwarzen Punkt inmitten der weißen Fläche - der kompensatorische Einfluss des Unbewussten (> Kompensation) hervor, erst schwach, unmerklich, dann immer gebieterischer. Man muss sich, ob man es will oder nicht (wenn man nicht will, wird man durch Krankheit und > Neurose dazu gezwungen), aus dieser Posititon - zumindest partiell - lösen, sich wieder desidentifizieren. Man beginnt zu spüren, dass der erreichte Standpunkt keine endgültige Lösung ist und dass es noch weitere Lebensaspekte gibt, die man bisher nicht berücksichtigt hat. Es entstehen Unruhe und Irritation, es beginnt die Suche nach einer neuen Lösung. Diese Phase (Phase 1) wird deshalb als Suchphase bezeichnet. Zunächst geschieht dieses Suchen innerhalb der bereits vertrauten Bereiche. Gibt es aber dort keine Lösung, so verstärkt sich der innere Spannungszustand, man kann nicht mehr zu alten Einstellung zurück, hat aber noch keine neue. Es tritt eine Phase der Desorientiertheit, der Verunsicherung und der Auflösung (> Deintegration) auf. Es ist eine Krisenzeit (> Krise). Man muss sich den schöpferischen Kräften des Selbst anvertrauen in der Hoffnung, dass sie zu der ihnen gemäßen Zeit eine Lösung finden. Diese 2. Phase ist die der Inkubation oder Schwangerschaft (> Bewusstsein, matriarchales > Bewusstsein, schöpferisches). In dieser Phase bleibt nicht mehr viel übrig, als die innere Spannung aufrechtzuerhalten, die Thematik immer wieder von verschiedenen Seiten zu umkreisen, sie aber immer wieder auch ruhen und "wirken" zu lassen. Der Zustand des Suchens ist gleichzeitig einer des Offen-Seins und Loslassens. "Die unwirksam gewordene Bewusstseinsdominante verschwindet in bedrohlicher Weise in den heraufsteigenden Inhalten des Unbewussten, wodurch zunächst eine Verfinsterung des Lichtes eintritt. Die einander widerstrebenden Elemente des urweltlichen Chaos entfesseln ihren Kampf, wie wenn sie nie gebändigt gewesen wären. Darin wird der Konflikt zwischen der Dominante des Ich-Bewusstseins einerseits und den Inhalten des Unbewussten andererseits ausgetragen.., bis das Ich seine Ohnmacht akzeptiert und den in ihm wütenden Kampf der seelischen Mächte gewähren lässt.. und was wie Tod und Verderben aussah, verändert sich allmählich in einen latenten Zustand der Einigkeit, der passenderweise durch das Symbol der Schwangerschaft ausgedrückt wird." (Jung, GW 14/2, § 170) Der 3. Punkt im Kreismodell bezeichnet den Moment, in dem man nun die Idee einer neuen Orientierung, eine Ahnung (> Intuition), wie der > Konflikt zu lösen ist, empfängt. Diese Idee kommt meist überraschend, in unerwarteten Momenten. Manchmal hat sie den Charakter einer kleinen Erleuchtung, eines "Aha"-Erlebnisses, in dem die ganze Lösung komplett erkannt wird; manchmal kommt sie in unscheinbarem Gewand, und man muss sehr offen sein, um sie überhaupt wahrzunehmen. Die dritte Phase ist also die Lösungsphase, in der man den schöpferischen Impuls des Selbst wahrgenommen hat, ihn zu akzeptieren (> Identifikation) und allmählich auszuarbeiten beginnt. Wenn man will, kann man sie als auch eine Art Neugeburt bezeichnen. Das Durchschreiten dieser 3. Phase und das Ausarbeiten einer neuen Lösung oder > Synthese führt zu Punkt 4: Man hat eine neue Orientierung auf einer neuen Ebene gewonnen und das Ich-Bewusstsein kann seine bewusste Steuerungsfunktion wieder übernehmen. In der vierten Phase wird die gewonnene Einsicht weiter differenziert (> Differenzierung), integriert (> Integration) und im Leben verwirklicht.
keine
Literatur: Kast, V. (1987]]): Der schöpferische Sprung; Müller, L. (1986]]): Suche nach dem Zauberwort; Müller, L. (1989]]): Magie; Neumann, E. (1959 b]]): Der schöpferische Mensch.
Autor: L. Müller