Seele
Keyword: Seele
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Definition: Mit Seele (griech. psyche: Hauch, Atem; lat. anima: Hauch, Atem) wird im allgemeinen Sprachgebrauch eine letztlich recht geheimnisvolle innere, bewusst-unbewusste lebendige Energie bezeichnet, das atmende, bewegende, fühlende, denkende, empfindende, intuierende Wesen des Individuums. Unter wissenschaftlicher perspektive kann man Seele bzw. Psyche definieren als die Gesamtheit aller psychoneuronale Vorgänge im lebenden Organismus. In den Vorstellungen unterschiedlichster Zeiten und Kulturen hat die Seele häufig den Charakter einer feinstofflichen Substanz, das vorübergehend einen Leib, einen Körper "beseelt", in ihm wohnt, sein eigentliches Wesen, sein eigentliches Leben ausmacht. Wenn diese Seele den Körper verlässt, ist der Körper tot. Die Seele stirbt oft auch selbst, manchmal geht sie aber auch in andere Welten ein. Dem gegenüber ist der > Geist (griech. pneuma: bewegte Luft, Hauch, Atem; lat. spiritus: bewegte Luft, Atem, Hauch) eher der allgemeine Träger des Lebens mit einer Betonung auf die „höheren“, eben „geistigen“ Aspekte des Menschen. Manchmal fallen beide Begriffe auch zusammen, etwa, wenn Platon von der Geistseele spricht. In unterschiedlichsten Philosophien und Religionen wird der Geist als erkennendes, strukturierendes ordnendes Vernunft-Prinzip erfasst (> Logos-Prinzip), während die Seele das ist, was den konkreten Körper belebt, bewegt, ihn fühlen (> Affekt > Emotion) und erleben lässt. In frühen Kulturen und Naturreligionen ist Seele die Lebenskraft schlechthin, als deren "Sitz" meist bestimmte Organe (Kopf, Herz, Leber, Nieren) oder das Blut gelten und die im Moment des Todes den Menschen verlässt - oft auch in Gestalt eines Seelentieres -, um in ein jenseitiges Reich über zu gehen. Im > Hinduismus, > Buddhismus und Dschainismus entspricht die Seele dem > Selbst (Atman) und ist bis zu ihrer endgültigen Befreiung (Erleuchtung) dem Gesetz des Karma und dem ewigen Kreislauf der Wiedergeburten unterworfen. Im Judentum, Christentum und Islam ist die Seele die dem Menschen von Gott, "eingehauchte" (1. Mose 2, 7) göttliche "Wesenheit", die als Körper und Geist seine unverwechselbare Individualität bestimmt und auch durch den Tod nicht aufgehoben wird.
Information: Im Seelenverständnis von C. G. Jung ist der angedeutete philosophiegeschichtliche Hintergrund spürbar und außerdem die damals in der Psychologie diskutierte Frage der Teilpersönlichkeiten, die Assoziationsstudien und daraus resultierende Komplextheorie sowie ethnologischen Studien und Hypothesen (> Anima/Animus: Klassische Auffassung > Assoziationsexperiment > Geister > Komplex). Jung bezeichnet mit Psyche die Gesamtheit aller bewussten und unbewussten psychischen Vorgänge, was weitgehend mit der modernen Definition von Psyche zusammenfällt. Mit Seele bezeichnet er einen "abgegrenzten Funktionskomplex", nämlich den, der sich den psychischen Innenvorgängen zuwendet und sie spiegelt, im Unterschied zur Persona, die sich am äußeren Objekt orientiert (vgl. Jung, GW 6, § 877f). Diese Unterscheidung fließt mit ein in die frühen Anima/Animus-Konzepte (von denen Jung auch als den Seelenbildern spricht) - und später in seine Unterscheidung von männlichem Bewusstsein und weiblichem Unbewussten. Außerdem kehrt diese Trennung von Seele und Geist wieder in seiner Analyse der Bedeutung des Geisterglaubens (> Geister) und des > Seelenverlustes in der magischen und der modernen Bewusstseinswelt und Psyche. Geister können als autonome archetypische Komplexe aufgefasst werden. Deshalb wirken sie häufig ichfremd, Seelen hingegen als autonom wirkende Komplexe aus dem persönlichen Unbewussten (vgl. Jung, GW 8). Deshalb wird die Seele als Persönlichkeit oder Teilpersönlichkeit oder als die Persönlichkeit ausmachend und mit ihr verbunden erlebt. Insgesamt hat sich diese spezielle Auffassung Jung vom Seelenbegriff in der Analytischen Psychologie nicht eingebürgert, vermutlich. Die Abgrenzung vom Begriff der Psyche ist heutzutage schwierig und wenig plausibel.
Keine
Literatur: Hannah, B. (1985): Begegnungen mit der Seele; Jüttemann, G. (Hrsg.) (1991): Die Seele; Pongratz, L. (1984): Problemgeschichte der Psychologie.
Autor: A. Müller