Seelenverlust

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Keyword: Seelenverlust

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Definition: > Der Ausdruck Seele wird in den unterschiedlichen mythischen, religiösen, philosophischen oder psychologischen Traditionen und Lehren unterschiedlich gebraucht. Heute versteht man darunter meist die Gesamtheit aller bewussten und unbewussten psychoneuronalen Vorgänge beim Menschen. In diesem Sinne ist „Seele“ weitgehend gleichbedeutend mit „Psyche“, dem griechischen Wort für Seele. Traditonell wird Seele als das verstanden, was einen Menschen beseelt, lebendig macht, sein individuelles Wesen ausmacht. Auf einer magisch-mythischen Bewusstseinsebene (> Bewusstseinsentwicklung, Phasen der > Weltsicht, archaische) wird die Seele häufig erlebt als eine Wesenheit oder auch mehrere Teilpersönlichkeiten, die im Menschen wohnen, in ihn eindringen und ihn auch verlassen können. Die Analytische Psychologie sieht in diesen Vorstellungen von inneren Persönlichkeiten die Wirkung und Wahrnehmung von Komplexen des persönlichen wie auch kollektiven Unbewussten (> Archetyp in der Psyche. In Anlehnung an J. G. Frazer (Frazer, 1966) beschreibt C. G. Jung für das magisch-mythisch erlebende Bewusstsein den Seelenverlust als "perils of the soul" (Gefahren der Seele), den magisch-mythisch erlebende Menschen real fürchten oder erleben. Im rationalen Bewusstseinszustand kann dieser Seelenverlust beispielsweise in einer > Depression (> Affekt >Angst) erlebt werden, etwa wenn die psychische Energie in einem dem Bewusstsein unzugänglichen Komplexgeschehen nichtmehr kontrolliert werden kann oder verloren geht .

Information: Bei den Naturvölkern gibt es viele Bilder für diese Vorgänge: die Seele ist etwas subtiles, flüchtiges, das einen plötzlich besetzen (> Besessenheit, abhanden kommen oder entfliegen kann. Die Seele ist in manchen Vorstellungen nur lose in den Körper gebunden und verlässt diesen im > Traum (> Traum, luzider). Man darf einen Schlafenden darum nicht plötzlich wecken, weil die Seele sonst keine Zeit mehr hat, in den Körper zurückzukehren. Australische junge Frauen schleichen sich an gewissen Plätzen vorüber, wo Seelen ungeborener Kinder nur darauf warten, in eine Frau hineinzuspringen. Bei den Buschmännem der Kalahariwüste in Afrika ist das Entfliehen der Seele ein alltägliches Ereignis. Durch einen Ritus (> Ritual) kann sie wieder einfangen werden. Bei sibirischen Völkern wird der vom Seelenverlust Betroffene krank, geht zum Schamanen (> Schamanismus), der eine Reise ins Jenseits macht, um die entflogene Seele zu befreien. Auch der moderne Mensch kann noch "Jenseitsreisen" machen, indem er die Botschaften des Unbewussten sorgfältig beachtet (> Bewusstsein, schöpferisches). Für die Naturvölker ist der Seelenverlust eine geläufige Krankheitsursache. Im psychologischen Verständnis heißt dies, dass sich die psychische Energie > Unbewusste – das Jenseits - zurückgezogen hat. (> Regression). Der Mensch erlebt dann etwa eine (schöpferische]]) Depression, wie sie in A. Dürers Melancholia dargestellt ist. Gelingt es nicht, "im Unbewussten zu fischen" und neue Inhalte aufsteigen zu lassen oder ist das Bewusstsein zu schwach, um die Inhalte zu integrieren (> Integration), kann keine > Progression erfolgen und der Seelenverlust äußert sich als Stillstand, Krise oder Krankheit.

In einer symbiotischen Beziehung (> Symbiose) sind wesentliche psychische Anteile (> Anima/Animus > Selbst) auf den Partner projiziert (> Participation mystique > Projektion), und wenn es zu einer Trennung kommt, kann der Zurückbleibende allen Sinn seiner Existenz verlieren. Die Anlässe zum Seelenverlust (> Neurose) können auch in der Moderne sehr verschieden sein, doch der seelische Ablauf ist schon von den Naturvölkern richtig erkannt und auch folgerichtig durch psychische Arbeit etwa im Ritual oder im Gestalten von > Symbolen behandelt worden.

Keine

Literatur: Frazer, J. G. (1966]]): The Golden Bough; Ribi, A. (1989): Was tun mit unseren Komplexen?

Autor: A. Ribi