Fantasiedenken/gerichtetes Denken: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: Fantasiedenken/gerichtetes Denken
Links: > Bewusstsein, schöpferisches > Bild > Fantasie > Imagination > Imagination, aktive > Katathym imaginative Psychotherapie > Kreativität > Malen aus dem Unbewussten > Sandspieltherapie > Schöpferisches > Spielen > Traum
Definition: In “Symbole der Wandlung“ widmet C. G. Jung dem gerichteten und dem Fantasiedenken ein ganzes Kapitel: „Über die zwei Arten des Denkens“. (Jung, GW 5, § 4 – 46) Er führt diese beiden Begriffe des Denkens ein, um unterschiedliche Formen psychischer Aktivität zu benennen und voneinander zu unterscheiden. Der Begriff „Fantasiedenken“ ist missverständlich, da er in Widerspruch mit der Definition von Denken im Zusammenhang mit den vier > Orientierungsfunktionen gerät. Weniger das Denken spielt dabei eine Rolle, als vielmehr ein Zusammenwirken von Fühlen (> Fühlen/Fühlfunktion), > Intuition, Empfinden (> Empfinden/Empfindungsfunktion), Emotionen (> Emotion), Affekten (> Affekt), Erinnerungen und archetypischen Einflüssen. Das gerichtete Denken ist ein Akt des Ich-Bewusstseins. Dabei spielt die Sprache eine entscheidende Rolle – man denkt in Worten- und es folgt den Gesetzen der Kausalität, der Logik, der Rationalität und dem Prinzip äußerer Realität. Wissenschaft und Technik sind Ergebnisse dieser Art Disziplinierung des Denkens.
Information: Gerichtetes Denken bedarf des Bewusstseins (> Bewusstsein) und ist daher anstrengend und ermüdend. Im Gegensatz dazu ist das Fantasiedenken im Wesentlichen ein Akt des Unbewussten (> Unbewusstes). Es tritt dann verstärkt in Erscheinung, wenn die Aktivität des gerichteten Denkens erlahmt. Anstelle der geordneten und gerichteten sprachlichen Abläufe treten Vorstellungen und innere Bilder (> Bild) in assoziativer Folge Assoziation (> Assoziation) auf. Sie sind alogisch, irrational, und sie folgen nicht der äußeren Realität, sondern der psychischen Wirklichkeit des Individuums; d. h. sie sind psycho-logisch. Hillman macht darauf aufmerksam, dass die psychischen Bilder nicht immer sinnlich wahrnehmbare bildliche Darstellungen sind, sondern eher Bilder „im Sinne von Metaphern“ (> Metapher) (vgl. Hillman, 1979). Die Bilderfolgen des Fantasiedenkens sind ungerichtet, man könnte sie kreisförmig nennen, d. h. d. h. umkreisen einen Bedeutungsschwerpunkt und bestimmte Komplexthemen (> Komplex). Das Fantasiedenken richtet sich nicht nach moralischen Vorgaben des Kollektivs, sondern folgt eher dem Wünschen und Ahnen des Individuums.
Fantasiedenken und gerichtetes Denken lassen sich mit dem Primär- und Sekundärprozess (> Primärprozess/Sekundärprozess) S. Freuds vergleichen. Nach Freud ist der Primärprozess ein regressiver Vorgang (> Regression), der auf frühen Erinnerungen an Wunschbefriedigungen beruht. Er beschreibt ihn als eine primitive Tätigkeit der Psyche, die darauf abzielt, eine „Wahrnehmungsidentität“ mit dem frühen Befriedigungserlebnis herzustellen, also auf „eine Wiederholung jener Wahrnehmung, welche mit der Befriedigung des Bedürfnisses verknüpft ist“ (vgl. Freud, GW 2/3, S. 539). Der Sekundärprozess strebt nach Freud statt der Wahrnehmungsidentität eine „Denkidentität“ an. Er ist ein progressiver Vorgang (> Progression) und ist im Gegensatz zum Primärprozess, der vom Lustprinzip motiviert ist, vom Unlustprinzip begleitet, was die stringente Verfolgung der Denkidentität erschwert. Das Fantasiedenken, wie Jung es beschreibt, ist psychodynamisch ebenfalls regressiv. Es basiert aber nicht ausschließlich auf früher – nach Freud primitiver – Wunschbefriedigung, sondern wurzelt in den Archetypen (> Archetyp). Es ist auch nicht ein Vorgang, der lediglich überwunden werden soll, sondern gilt als die ursprünglichste Ausdrucksform der Psyche (> Fantasie > Imagination > Traum), die dann in Aktion tritt, wenn die Aufmerksamkeit des Ich-Bewusstseins erlahmt und dadurch die Schwelle zu vor- und unbewussten Inhalten der Psyche durchlässiger wird. Nach Jung beruht das Bewusstsein auf der schöpferischen Tätigkeit des Unbewussten (> Unbewusstes), so dass nicht nur dem gerichteten Denken, sondern ganz wesentlich auch dem Fantasiedenken eine schöpferische und damit kulturfördernde Funktion zukommt. Aus ihm wächst dem gerichteten Denken gleichsam der Grundstoff für neue Ideen und Theorien zu.
Literatur: Daniel, R. (1993): Archetypische Signaturen im unbewussten Malprozess; Hillman, J. (1983 a): Am Anfang war das Bild.
Autor: R. Daniel