Lieblingsmärchen: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Lieblingsmärchen

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Definition: Als Lieblingsmärchen werden > Märchen oder märchenähnliche Geschichten bezeichnet, die ein Mensch in seiner Kindheit sehr wichtig fand, mit denen er sich stark identifizierte und die er besonders geliebt hat. Dem gegenüber stehen Märchen, durch die er besonders geängstigt worden ist (Angstmärchen). In Kinderpsychotherapien zeigt sich häufig eine große Faszination bestimmter Geschichten, die in Verbindung mit der psychischen Problematik und der Symptomatik des Kindes stehen. Die Lieblingsmärchen und die Angstmärchen werden von erwachsenen Patienten häufig vergessen oder verdrängt, sinken damit ins Unbewusste (> Unbewusstes), wo sie jedoch Lebendigkeit behalten und Wirkungen entfalten können.

Information: Märchen werden in der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) als symbolische Darstellungen psychischer Prozesse verstanden. Die einzelnen Symbole (> Symbol) können über ihre persönliche Bedeutung hinaus, die sie für die einzelne Person haben, als bildhafter Ausdruck für die archetypische > Konstellation (> Archetyp) aufgefasst werden. H. Dieckmann stellt fest, (vgl. Dieckmann, 1978) dass sich in diesen Märchen die zentralen frühen Konflikte (> Konflikt) und Komplexe (> Komplex) des Patienten ausdrücken. Oft können sie in Verbindung mit Träumen (> Traum) wieder erinnert werden und häufig finden sich grundlegende Parallelen zu Persönlichkeitsstruktur und Symptomatik des Patienten, wie auch Übereinstimmungen in Hinblick auf die > Neurose auslösende Situation und die psychogenetischen (> Psychogenese) und psychodynamischen (> Psychodynamik) Gegebenheiten des Patienten. Die Arbeit am Faszinationsmärchen und damit an symbolischen Prozessen kann in der therapeutischen Arbeit zu einem > Übergangsobjekt werden. Die Arbeit daran wird dann zum Symbol für die Beziehung zum Therapeuten. (> Beziehung, therapeutische > Beziehungsquaternio) Die Märchenbilder kann man gedanklich mitnehmen, über mehrere Stunden immer wieder einbeziehen. Häufig wird in analytischen Psychotherapien angeregt, diese Faszinationsmärchen durch > Malen, Zeichnen oder Plastiken (> Tonfeld, Arbeit am) bildhaft zu gestaltet. Von manchem Patient wird bereits in der Kindheit gestaltetes Material (Bilder, Aufzeichnungen über Puppenspiele oder Theaterstücke) in die Therapiestunden mitgebracht. Wenn im Laufe eines Therapieprozesses Märchen "gewechselt" werden, werden häufig Märchen mit gleicher oder ähnlicher Symbolik gewählt.

Therapeutisch wichtig ist die Ablösung des Ich-Komplexes (> Ich-Komplex) von der Identifikationsfigur (> Identifikation) und das Verständnis aller Figuren und Motive auf der > Subjektstufe als > Personifikation eigener unbewusster Komplexe. Dieckmann hält Märchen besonders dafür geeignet, das eigene Psychische in großen symbolischen Bildern widerzuspiegeln. Da Märchen die frühen Stufen unseres > Bewusstseins (> Bewusstseinsentwicklung) das magische und mythische Bewusstsein, ansprechen, sind sie besonders dafür geeignet, die in diesen Schichten enthaltenen libidinösen Energien (> Libido) zu verbildlichen und füllen damit den Archetyp per se mit einer spezifischen > Imago auf, die in der Lage ist, den trieb- und instinkhaften Energien (> Instinkt) eine symbolische Richtung und Sinnhaftigkeit zu geben.

Literatur: Dieckmann, H. (1978): Gelebte Märchen; Kast, V. (1988): Familienkonflikte im Märchen.

Autor: A. Kuptz-Klimpel