Übergangsobjekt

Aus aip-lexikon.com
Zur Navigation springenZur Suche springen

Keyword: Übergangsobjekt

Links: > Entwicklungspsychologie > Kindheit, Phasen der > Objekt > Objektkonstanz > Objektbeziehungstheorie > Urbeziehung > Personifikation > Repräsentanz > Ritual > Symbol > Symbolisierung

Definition: Das Konzept des Übergangsobjektes und der damit verbundenen Übergangsphänomene ist von D. Winnicott 1953 beschrieben worden. Das Übergangsobjekt - oft ein weicher, unbelebter Gegenstand, etwa Tuch, Decke, Plüschtier oder Puppe - tritt in Abwesenheit der Mutter anstelle der oralen und emotionalen Befriedigung durch die Mutterbrust. So kann es bei vorübergehenden Trennungen von Mutter und Kind der Selbstberuhigung und Abwehr von Trennungsängsten dienen. Das Übergangsobjekt erleichtert die vorübergehende Trennung von der Bezugsperson, steht in der Zeit der Trennung für diese. Häufig wird der als Übergangsobjekt verwendete Gegenstand neben der Brust der Mutter und dem eigenen Körper als erstes Spielzeug vom Kind entdeckt.

Information: Das Übergangsobjekt ist aber kein Ersatz für libidinöse Objekte, sondern wird zum Symbol für die Einheit von Kleinkind und Mutter. Der Umgang mit dem Übergangsobjekt beim Kind kann als erste > Symbolisierung verstanden werden. Diese ersten Gegenstände, mit denen sich das Kind beschäftigt, gehören nach Winnicott nicht zur inneren Welt des Kindes, sind jedoch auch nicht Teile der Mutter, welche die äußere Welt für das Kind darstellt. Sie nehmen einen Platz zwischen der Innen- und Außenwelt des Kindes ein und verkörpern nach Winnicott einen dritten Bereich, den sogen. intermediären Raum (> Einheitswirklichkeit). In diesen Bereich bezieht das Kind seine Objekte aus der äußeren Realität ein und verwendet sie für Vorstellungen aus seiner inneren, unbewussten Welt. Das Kind erschafft dieses Objekt selbst, es kann darüber frei verfügen können. Auf diesem Weg kann es sich aus einer Beziehungsfantasie lösen, in der es glaubt, die Mutter beliebig zu kontrollieren. Das Kind beginnt, sich die Mutter nicht länger als Teil seines Selbst vorzustellen, sondern sie als eigenständiges Objekt wahrzunehmen.

Voraussetzung für die Verwendung eines Übergangsobjekts ist, dass sich in der inneren psychischen Realität des Kindes ein Bild von der "ausreichend guten" Mutter (vgl. Winnicott, 1989, S. 20 f.) aufzurichten begonnen hat. Die psychische Repräsentanz des Objektes in der inneren Welt bleibt aber nur wirksam, das Bild nur lebendig, wenn es immer wieder zu realen positiven Erfahrungen mit der persönlichen Mutter kommt. Schicksal des Übergangsobjekts ist es, dass ihm allmählich die Besetzungen entzogen werden und es im Laufe der Zeit für das Kind an Bedeutung verliert. Es wird weder vergessen noch betrauert. Bei Störungen in dieser Phase der Symbiose-Autonomie-Entwicklung kann eine Fixierung auf das Übergangsobjekt und in der Folge ein Ansatz zum Fetischismus entstehen.

Winnicott vertrat die Ansicht, dass Übergangsobjekte der Ursprung des kulturellen Lebens sind. M. Fordham vermutet, dass die Übergangsobjektphänomene "ontogenetische Wurzeln der objektiven Psyche" sind, dass sie ihrer Natur nach archetypisch und deshalb wesentlich zu künstlerischen, religiösen und geistigen Erfahrungen (> Geist > Kunst > Religion > Schöpferisches) beitragen können. (Vgl. Fordham, 1974, S. 125]]) Die Wirkungen des Übergangsbereichs, seine Brückenstellung zwischen Innen und Außen und seine verbindende Funktion erinnern an das Konzept der transzendenten Funktion (> Funktion, transzendente) in der Analytischen Psychologie und an die Bedeutung des Symbols in der Entwicklung des Bewusstseins. 

(> Bewusstseinsentwicklung, mythologische Stadien)

Literatur: Winnicott D. W. (1971): Vom Spiel zur Kreativität.

Autor: A. Kuptz-Klimpel