Hermetik

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Keyword: Hermetik

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Definition: Das Wort "hermetisch" bedeutet im modernen Sprachgebrauch "dicht verschlossen, luft- und wasserdicht" und entstammt in dieser Bedeutung ursprünglich der > Alchemie, wo es für die verschiedenen alchemistischen Prozesse notwendig erschienen ist, die Retorte, also das alchemistische Gefäß, "hermetisch" verschlossen zu halten. Die Alchemisten beziehen sich auf den sagenumwobenen ägyptischen Weisen Hermes Trismegistos (griech. Hermes tris mégistos: dreimal größter Hermes), der unter anderem die Kunst erfunden haben soll, eine Glasröhre mit einem geheimnisvollen Siegel (sigillum Hermetis) luftdicht abzuschließen.

Information: Der Name "Hermes Trismegistos" kommt aus der synkretistischen Geisteswelt des hellenistischen Alexandrien, bezeichnet ursprünglich den ägyptischen Gott der Weisheit, der Schrift und der Zahlen, Thot. Hermes Trismegistos soll die hermetischen Schriften verfasst haben (Corpus Hermeticum) ; das sind meist griechische, auch lateinische und koptische mystische Geheim-Texte aus dem 2. -3. Jahrhundert n. Chr., die die christliche > Gnosis, die Albertus Magnus, Paracelsus und die Geheimgesellschaften (Freimaurer, Rosenkreuzer, Theosophen), einschließlich die Anthroposophen beeinflussen. Die Symbolik dieser Geheimgesellschaften und der hermetischen, okkulten "Wissenschaften" - wie z. B. die > Alchemie, Astrologie > Magie, Kabbala bezieht sich, wie C. G. Jung am Beispiel der > Alchemie gezeigt hat, in der Regel auf den > Individuationsprozess, die Vereinigung der Gegensätze (> Coniunctio/Mysterium Coniunctionis) und auf die wechselseitige Beziehung des Mikrokosmos Mensch zum Makrokosmos seiner (kosmischen) Um- und Mitwelt nach der klassischen Formel ("Wie oben so unten, wie innen so außen" > Anthropos > Unus mundus).

Die alten hermetischen Traditionen haben seit vielen Jahren unter dem Sammelbegriff der Esoterik (griech. esoterikós: innerlich, verborgen) eine Renaissance erfahren. Eine adäquate Bewertung dieses Interesses am Esoterischen ist schwierig: Es scheint fast unmöglich zu sein, in der Fülle der magischen und psychologischen Theorien und Techniken, in der Vermischung von östlicher Philosophie und westlichem Okkultismus, von Religion und Management, von fantastischen spekulativen Hypothesen und realistischer Lebensweisheit, von ehrlicher Erkenntnissuche und naivem Wunschdenken das Wesentliche vom Unwesentlichen zu trennen. Es wäre aber zu einfach, das Interesse an der Esoterik lediglich als eine regressive Flucht (> Regression) in altes magisches Denken abzuwerten. Den hermetischen Systemen wird man unter analytischer Betrachtung wohl am ehesten gerecht, wenn man sie als Symbol-Systeme versteht, in denen, wie in den Religionen und Mythen, die transpersonalen Sehnsüchte und Erfahrungen der Menschheit in symbolisch-komprimierter Form dargestellt sind. Insofern sie archetypische Ur-Themen der Menschheit darstellen und ihre Methoden in vielerlei Hinsicht den modernen psychologischen Methoden entsprechen (> Magie), bieten sie einen erstaunlich differenzierten Reichtum an symbolischem Wissen und können damit weitgehende Einsichten und Erfahrungen ermöglichen. Jung und viele seiner Schüler sind den alten hermetischen Traditionen mit großem und zugleich kritischem Interesse begegnet und haben sie als Vorläufer der modernen Tiefenpsychologie und Transpersonalen Psychologie (> Transpersonale Psychologie) verstanden. Sie interpretierten sie als eine schöpferische Kompensation der Einseitigkeiten und des Orientierungs- und Werteverlustes des jeweils herrschenden Gesellschaftssystems und Zeitgeistes. Die Hauptproblematik der hermetischen Systeme liegt darin, dass der symbolische und psychologische Charakter ihrer Modelle und Methoden oft nicht erkannt und das Symbolische mit der äußeren konkreten Realität verwechselt (> Konkretismus > Prä-Trans-Verwechslung) wird.

Literatur: Müller, L. (1989): Magie; Ribi, A. (2001): Zeitenwende: Die geistigen Wurzeln unserer Zeit in Hellenismus, Hermetik, Gnosis und Alchemie; Wehr, G. (1995): Esoterisches Christentum - Von der Antike bis zur Gegenwart.

Autor: L. Müller