Körpersprache
Keyword: Körpersprache
Links: Bios-Prinzip > Körper > Körperbild > Körperpsychotherapie > Leib-Psychotherapie > Prozessorientierte Psychologie > Psychosomatik
Definition: Sprache ist weit mehr als nur verbales Zeichensystem, es ist auch Vehikel bedeutungsvoller, Sinn gebender Verständigung. In der nichtverbalen Ausdrucksfähigkeit von Mimik, Gestik, Bewegung und Betätigung stellt der > Körper ebenso wie die verbale Sprache eine kommunikative Ordnung dar. Jenseits des gesprochenen Wortes verhalten sich die Sprechenden immer auch leiblich zueinander. Ursprünglich wird die Körpersprache im Sinne des "Mitsprechens" körperlicher Symptome in S. Freuds Überlegungen über die > Hysterie erwähnt. Mittlerweile erstreckt sie sich zunehmend auf vielfältige körperliche Ausdruckweisen und averbale Interaktionen im psychotherapeutischen Dialog (> Beziehung, therapeutische > Beziehungsquaternio). Zur Körpersprache im erweiterten Sinne zählen sowohl unbewusst induzierte Gefühle (> Emotion > Fühlen/Fühlfunktion) und Affekte (> Affekt) wie auch kaum wahrnehmbare Geruchswirkstoffe, die Pheromone.
Information: Die > Hermeneutik körpersprachlicher Kommunikation und die kognitive Übersetzung körperlicher Botschaften und Bedeutungen stellen nicht weniger als bei verbalsprachlicher Verständigung hohe Ansprüche, insbesondere, wenn es um unbewusste emotionale und affektive Mitteilungen geht. Hier wie dort geht es um die symbolische Vermittlung von Bedeutungsinhalten (> Symbol). Die zeichen- und symbolhafte Mitteilungskraft (> Allegorie) der Körpersprache zeigt sich vorwiegend in körperlichen und seelischen Symptomen, in Körperausdruck und Körpergestalt (das macht man sich beim so genannten "Körperlesen" zunutze (vgl. Lowen, 1981; Kurtz/Prestera, 1979) und in der unbewussten Inszenierung (> Inszenieren/Inszenierung) in der therapeutischen Beziehung (vgl. Ellmann/Moskowitz, 1998; Heisterkamp, 2002; Scharff, 1995, 1998; Streeck, 2000). Der Kontext des Verstehens von Körpersprache ist die innerseelische und die zwischenmenschliche Interaktion. Beim Entziffern körpersprachlicher Mitteilungen geht es nicht um den anatomischen Körper als Objekt naturwissenschaftlicher Empirie, sondern um intersubjektiv wirksame, ursprünglich unbewusste, imaginäre Körperbilder. In Gestalt von frühkindlich geprägten affektmotorischen Verbindungs- und Differenzierungsschemata liegen solche Körperbilder dem Beziehungs- und Selbsterleben während des gesamten Lebens zugrunde. Zwischenmenschliche Mitteilungen sind nie rein verbal. Sie haben immer auch eine psychomotorische und sinnliche Komponente.
Der Sinngehalt einer Mitteilung lässt sich nicht auf den verbalen Austausch allein einschränken. Auch in vordergründig rein verbal erscheinenden psychoanalytischen Psychotherapien wird fortlaufend averbal kommuniziert. Die inszenierungsfördernde Dynamik des therapeutischen Settings (> Setting) muss deshalb aufmerksam beachtet werden, um die Leitlinie erlebnisnaher Affekte und Vorstellungen im Therapiedialog "leibhaftig" zu erfassen. Die Wahrheit des Körpers und der Körpersprache kann nur in der Begegnung erschlossen werden, zumal auch die Körpersprache vom wechselnden historischen, anthropologischen und kulturellen Kontext abhängig ist. Dies kann man z. B. in jüngerer Zeit an der körperlichen Umarmung unter Freunden beiderlei Geschlechts feststellen. Das heute alltägliche Begrüßungsritual wäre noch für die Großelterngeneration eine unsittliche, unkeusche Berührung gewesen.
Literatur: Heisterkamp, G. (1993): Heilsame Berührungen; Heisterkamp, G. (2002): Basales Verstehen; Mindell, A. (1993): Traumkörper-Arbeit oder Der Lauf des Flusses; Schellenbaum, P. (1994): Nimm deine Couch und geh; Ware, R. C. (1984): C. G. Jung und der Körper: Vernachlässigte Möglichkeiten der Therapie?
Autor: R. Ware