Personalisierung, sekundäre

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Keyword: Personalisierung, sekundäre

Links: > Abwehrmechanismen > Apperzeption, mythologische > Archetyp > Bewusstseinsentwicklung > Desidentifikation > Ent-Emotionalisierung > Identifikation > Inflation > Rationalisierung > Selbst

Definition: Die sekundäre (lat. secundus: der zweite, folgende, nächste) Personalisierung (> [[lat. personalia: persönliche Dinge; auf Einzelpersonen ausrichten) bezeichnet bei E. Neumann einen für die Ich-Bewusstseinsdifferenzierung (> Bewusstseinsentwicklung > Differenzierung > Ich/Ich-Bewusstsein) notwendigen Prozess und Abwehrmechanismus. Angesichts des ursprünglich ganzheitlichen, transpersonalen und numinosen Charakters (> Numinoses) des Unbewussten ist es zur Bewusstseinsdifferenzierung erforderlich, die Wirksamkeit der Archetypen (> Archetyp) zu vermindern, in dem sie in Gegensätze aufgespalten bzw. polarisiert, (> Dualität > Polarität > Gegensatz > Weltelterntrennung/Trennung der Ureltern), benannt, systematisiert, entemotionalisiert (> Ent-Emotionalisierung) und personalisiert werden. Aus ursprünglich archetypisch-transpersonalen Inhalten werden so in der Mischung mit persönlichen Erfahrungen individuelle Aspekte der Persönlichkeit.

Information: Beispielsweise wird aus dem Mutterarchetyp durch die Erfahrung an der konkreten Mutter der persönlich-gefärbte Mutter-Komplex. Dieser Prozess ist ebenso ambivalent, wie die anderen Mechanismen bzw. > Abwehrmechanismen, die zur Ich-Bewusstseins-Bildung beitragen. Er ist einerseits für die persönliche Identitätsentwicklung erforderlich, andererseits kann durch ihn der archetypische Hintergrund alles psychischen Geschehens verdrängt und das Unbewusste (> Unbewusstes) in seiner transpersonalen Dimension verleugnet werden. Damit ist eine "Deflation", d. h. eine Seelen- und Lebensverarmung, ein Sinnverlust des Einzelnen wie der Gesellschaft verbunden (> Sinn), wie sie z. B. in der > Depression, die es auch als kollektives Phänomen gibt, zu beobachten ist. Die verdrängten archetypischen Inhalte des kollektiven Unbewussten (> Unbewusstes, kollektives) können auch kompensatorisch (> Kompensation) wirksam werden, indem sie sich dann als kollektive Fantasien aufdrängen, gewaltsam durchbrechen und zu unkontrollierbaren Massenphänomen werden (> Nationalsozialismus).

Im > Individuationsprozess muss deshalb die sekundäre Personalisierung wieder partiell zurückgenommen werden, allerdings ohne dass sich die > Persönlichkeit völlig mit den archetypischen Inhalten identifiziert (> Identifikation > Inflation).

Auch C. G. Jung geht auf eine vergleichbare Problematik ein, etwa, wenn er in der Psychologie der Übertragung (vgl. Jung, GW 16) (> Beziehungsquaternio > Beziehung, therapeutische > Übertragung/Gegenübertragung) in Zusammenhang mit der Bilderreihe des Rosariums darauf hinweist, dass es wichtig ist, archetypische Inhalte nicht allzu personalistisch aufzufassen oder zu deuten. Es gehe im Individuationsprozess darum, den psychischen Inhalten ihre symbolische und archetypische Natur (> Symbol) zu lassen und sich nicht mit ihnen zu identifizieren, also z. B. nicht von "meinem > Schatten", "meiner Anima", "meinem Animus" (> Anima/Animus: Klassische Auffassung) oder "meinem Selbst" zu sprechen, sondern von "dem Schatten", "der Anima", "dem Animus" und "dem Selbst".

Literatur: Neumann, E. (1949 a): Ursprungsgeschichte des Bewusstseins.

Autor: A. Müller