OPD: Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr
Keyword: OPD: Operationalisierte psychodynamische Diagnostik
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Definition: OPD ist die Abkürzung für operationalisierte psychodynamische Diagnostik und bezeichnet ein Instrument zur standardisierten Diagnostik in der psychodynamischen Psychotherapie, basierend auf einem semistrukturierten Interview. Anlass für die Entwicklung einer operationalisierten Diagnostik ist die Unzufriedenheit mit der gebräuchlichen psychoanalytischen Diagnostik einerseits und mit den in der Psychiatrie international gebräuchlichen rein deskriptiven Diagnoseinstrumenten DSM-IV (Diagnostic and Statistical Manual of Mental Disorders) und ICD-10 (Internationale Classification of Diseases) andererseits gewesen, da diese ausschließlich deskriptive, symptomzentrierte Diagnostik dem psychodynamisch ausgerichteten Psychotherapeuten wenig Handlungsanweisung für die Indikationsstellung und Durchführung einer Psychotherapie gibt. Die OPD ist als Ergänzung zum ICD-10 und DSM-IV gedacht. Sie soll auf einem mittleren Abstraktionsniveau beschrieben werden, d. h. sie soll sich zwischen reiner Verhaltensdeskription einerseits und reiner metapsychologischer Begriffsbildung andererseits bewegen. Es geht ihren Autoren zum einen um die Reduzierung der Beliebigkeit psychoanalytischer Diagnostik, zum anderen um die Festlegung akzeptierter und kommunizierbarer Standards und darum, ein reliables und valides diagnostisches Instrument zu besitzen. Die Zielgruppe für die Anwendung der OPD sind Psychotherapeuten, die die Berechtigung psychoanalytischer Basiskonzepte - etwa Konzepte des dynamischen Unbewussten (> Unbewusstes), der Übertragung und Gegenübertragung (> Übertragung/Gegenübertragung), des inneren Konfliktes (> Konflikt) und der verinnerlichten > Selbst- und Objektrepräsentanzen (> Objektbeziehungstheorie) - anerkennen. Für die Konzeption der OPD werden psychodynamische Elemente ausgewählt, die für das von der > Psychoanalyse abgeleitete Verständnis eines Patienten relevant erscheinen und dabei noch ausreichend operational fassbar sind, um überprüfbar zu bleiben. Diese Auswahl schlägt sich in den vier Achsen der OPD nieder: 1. Krankheitsverhalten und Behandlungsvoraussetzungen; 2. Beziehungen; 3. Konflikte; 4. Psychische Struktur.
Information: Psychische und psychosomatische Störungen (> Neurose > Psychosomatik) werden nach ICD-10 Kapitel V (F) erfasst. In Achse 1 wird der Schweregrad der Erkrankung, die subjektive Beeinträchtigung des Patienten, der sekundäre Krankheitsgewinn, der Leidensdruck, die > Motivation zur Psychotherapie, sowie das Vorhandensein von sozialer Unterstützung (> Familie > Gesellschaft > Kollektiv) und individuellen Ressourcen über insgesamt 18 Dimensionen jeweils auf einer 4-stufigen Skala beurteilt. In Achse 2 werden die habituellen, dysfunktionalen Beziehungsmuster (> Objekt) eines Patienten erfasst, basierend auf den interpersonellen Kreismodellen, z. B. von Benjamin (1974.) In Achse 3 werden die unbewussten, zeitlich überdauernden Konflikte, die für die Problematik eines Patienten entscheidend sind, abgebildet. Es werden unter bewusstem Verzicht auf die klassischen psychoanalytischen Konfliktkategorien sieben Konfliktmuster ausgewählt: 1. Abhängigkeit vs > Autonomie; 2. Unterwerfung vs Kontrolle (> Macht) ; 3. Versorgung vs Autarkie; 4. Selbstwertkonflikte (> Selbstwertgefühl) ; 5. > Überich-Ich Schuldkonflikte; 6. Ödipal-sexuelle Konflikte (> Ödipuskonflikt > Sexualität > Triebentwicklung) ; 7. Identitätskonflikte (> Geschlechtsidentität > Identität, personale). Jeder Konflikt kann in seinem aktiven oder passiven Verarbeitungsmodus erfasst werden. Ergänzend werden die Kategorien "mangelhafte Konfliktwahrnehmung" und "konflikthafte äußere Lebensbelastung" beurteilt. Achse 4 beschreibt die psychische Struktur (> Psyche). Diese wird auf sechs Dimensionen abgebildet, die durch jeweils vier abgestufte Integrationsniveaus beschrieben werden. Bei diesen Dimensionen handelt es sich um die Fähigkeit eines Patienten zur Selbstwahrnehmung, Selbststeuerung, Abwehr, Objektwahrnehmung, Kommunikation und > Bindung. Der in der OPD verwendete Strukturbegriff beschreibt dabei die "Struktur des Ich (> Ich/Ich-Bewusstsein), des > Selbst und der Beziehungen" und integriert so objektbeziehungstheoretische, ich-psychologische und selbst-psychogische Ansätze. Er ist nicht identisch mit dem topografischen Strukturmodell von Freud oder dem traditionellen Begriff der Neurosenstruktur (schizoid, depressiv, zwanghaft, hysterisch).
Nimmt man Rücksicht auf die unterschiedliche Verwendung der Konzepte von Ich und Selbst in der OPD und der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) (vgl. Junghan 2001) ist es möglich, die Strukturachse der OPD in Konzepte zur Struktur der Analytischen Psychologie zu übersetzen. In der Analytischen Psychologie würden dann die Qualität und die > Differenzierung des Bewusstseins und die Kohärenz des Ich-Komplexes (> Ich-Komplex) einschließlich der > Persona zu einer Beurteilung des Strukturniveaus herangezogen. Es geht hierbei im Wesentlichen um die Frage, wie stabil der Ich-Komplex einerseits, wie flexibel er aber andereseits in der Lage ist, Unbewusstes zu integrieren (Junghan 2001]]). Ähnlich wie ICD und DSM ist die OPD-1 nicht als endgültige Fassung zu betrachten, sondern sie wird in fortlaufender Auseinandersetzung mit der Bewährung in der Praxis weiterentwickelt. Dies gilt auch für die Übertragung der Konzeption einzelner Achsen der OPD und ihrer Operationalisierung in die Begriffswelt der > [[Analytischen Psychologie.
Literatur: Arbeitskreis OPD (1996): Operationalisierte Psychodynamische Diagnostik; Junghan, M. (2001): Ein Vergleich der Strukturachse der operationalisierten psychodynamischen Diagnostik (OPD) mit Konzepten zur Struktur der Analytischen Psychologie; Junghan, M. (2002): Die Anwendung der Strukturachse der OPD in der Analytischen Psychologie.
Autor: M. Junghan