Bewusstseinsentwicklung: Kindliche Stadien

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Keyword: Bewusstseinsentwicklung: Kindliche Stadien (insbesondere nache Erich Neumann)

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Definition: E. Neumann hat den, in der Ursprungsgeschichte des Bewusstseins (Neumann, 1949a) entwickelten, mythologischen Ansatz auch auf die kindlichen Entwicklungsphasen angewendet und weiter ausdifferenziert. Er setzt sich dabei mit den, ihm bis dahin, zugänglichen Theorien der > Entwicklungspsychologie, beispielsweise von J. Piaget und M. Fordham, der > Psychoanalyse, M. Kleins Psychoanalyse (> Kleinianische Psychoanalyse), der Bindungstheorie (> Bindung) und > Ich-Psychologie, wie auch der > Biologie, der Geistes- und Religionswissenschaften auseinander und versucht sie, soweit möglich, mit seinen mythologischen Stadien zu verbinden.

In seinem Modell geht Neumann in der > Urbeziehung von der > Participation mystique aus, woraus sich das > Ich/Ich-Bewusstsein des Kindes entwickelt, indem es sich von der Mutter und vom Unbewusstenzu unterscheiden lernt.

Information: Die erste Entwicklungsphase des Kindes und seines Ich-Bewusstseins nennt er die phallisch-chthonische Ich-Stufe. Phallisch heißt sie, weil die Ich-Entwicklung bei beiden Geschlechtern unter männlichem Vorzeichen steht, insofern sich das Kind triebhaft-aktiv aus dem Bereich des Unbewussten und der Urbeziehung heraus bewegt. Innerhalb dieser Phase differenziert E. Neumann noch eine frühere vegetative und eine spätere animalische Phase. Zunächst ist das Ich-Bewusstsein vegetativ wie eine Pflanze und eher passiv, auf der späteren Stufe zeigt es zunehmende Aktivität. Die Motorik des Kindes reift und wird geübt. Das Kind beginnt sich dann allmählich der Welt zu bemächtigen, es wird frei beweglich. das > Ich-Bewusstsein erlebt sich aber noch nicht als eigenständig, es herrscht noch eine weitgehend unbewusste Ich-Selbst-Identität. Diese Stufe ist insgesamt matriarchal (> Matriarchat > Bewusstsein, matriarchales) geprägt und wird dem > Archetyp der Großen Mutter (> Mutter, Große) als Repräsentantin des > Selbst und der Welt zugeordnet. Das > Selbst wird als Körperselbst (> Selbst, primäres/Körperselbst) und als bestimmendes artgemäßes Unbewusstes erfahren (Inzest, uroborischer).

Die zweite Phase der Entwicklung des kindlichen Ich-Bewusstseins nennt E. Neumann die magisch-phallische Ich-Stufe. Ihr liegen nicht mehr nur wahrnehmende und intuitive geistige Prozesse zugrunde, sondern auch Denken und Erkennen. Naturbeobachtungen und magische Haltung (> Magie) ohne Halluzinationscharakter bestimmen diese Stufe. Es ist eine archaische, nicht-rationale Form der Erkenntnis. (> Weltsicht, archaische) Der Anteil des Unbewussten (> Unbewusstes) überwiegt den des Bewusstseins (> Bewusstsein). Das Selbst wird in seiner umfassenden Totalität als zum Ich gehörig erfahren, was bedeutet, dass das Ich noch keine realistische Vorstellung von sich und der Welt hat. Es beginnt eine größere Unabhängigkeit des Ich vom Körperselbst als dem eigenen Selbst und Körper und vom Du der Bezugspersonen. Das Selbst filialisiert sich im Ich. (> Filialisierung des Ich)

In der weiteren Entwicklung erreicht das Kind die dritte, die magisch-kriegerische Ich-Stufe, in der die Überwindung des Matriarchats (> Matriarchat > Bewusstsein, matriarchales) bevorsteht. Es muss sich aus der, immer noch bestehenden, Dominanz des Unbewussten und der Beziehung zur Mutter ablösen und beginnen, sich zum > Patriarchat (> Bewusstsein, patriarchales) hin zu entwickeln (> Triade/Triangulierung). Symbolisch ist dies die Phase des Widerstrebenden und sie ist mit starker Angst verbunden. Die > Angst entsteht als Notwendigkeit des Übergangs von einer artgemäßen, archetypischen Phase zur anderen. Die > Regression wird mythologisch durch den verschlingenden Drachen (> Drachenkampf)) gekennzeichnet und stellt das Bedürfnis dar, sich vor den Anforderungen des „Heldenkampfes“, der weiteren Ich-Bewusstseinsdifferenzierung, in den schützenden und bergenden Bereich des Mütterlichen zurückzuziehen. Die > Progression des Helden-Ich, ist – symbolisch-mythologisch gesehen – die Überwindung des Drachen. Die daraus sich entwickelnde nächste Entwicklungsstufe, die solar-kriegerische Ich-Stufe bedeutet, das magische Bewusstsein hinter sich zu lassen. Das Ich-Bewusstsein schließt sich nun transpersonalen Größen an, es identifiziert sich sowohl mit > Macht (> Aggression), als auch mit Destruktion (Jäger/Krieger). Die Entwicklung des Ich in der Beziehung zum Selbst wird wieder gewandelt. der > Vaterarchetyp löst das Matriarchat ab. Es beginnt die solare-obere Welt. Das Ich-Bewusstsein erfährt sich als zu einer geistigen Welt gehörig und ist damit in der Lage sich der unteren, erdhaften und unbewussten Welt entgegenzustellen.

Das entwickelte erwachsene Ich, die solar-rationale Ich-Stufe, ist für die Entwicklung des Patriarchats und der patriarchalen Kultur charakteristisch. Ein Ich, das sich mit einer „höheren“ und geistigen Welt identisch fühlt, kann sich von einer, als unten erlebten, erdhaft-materiellen Welt, der auch der Körper und das Unbewusste zugerechnet werden, abgrenzen. Einerseits kann in dieser Stufe ein Ideal erblickt werden, aber andererseits kann auf dieser Stufe eine Trennung zwischen Ich und Selbst auch zur Spaltung führen, die dann in der 2. Lebenshälfte im > Individuationsprozess aufgehoben werden muss.

Literatur: Neumann, E. (1949): Ursprungsgeschichte des Bewussstseins; Neumann, E. (1963): Das Kind.

Autor: H. Stark-Völz