Gestaltungstherapie/Klinische Kunsttherapie

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Keyword: Gestaltungstherapie/Klinische Kunsttherapie

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Definition: Unter Gestaltungstherapie wird eine Therapie mit bildnerischen Mitteln auf tiefenpsychologischer Grundlage verstanden. Angewandt wird sie als spezielle Therapieform in psychosomatischen, psychotherapeutischen und psychiatrischen Kliniken, Tageskliniken, im Verbund mit sozialen Diensten und in ambulanten Praxen. Die Bezeichnung Gestaltungstherapie stammt von G. Clauser, der 1960 erste Konzepte der aktiv-klinischen Psychotherapie erarbeitet hat.

Information: Die Basis für diese Therapieform bilden die Erkenntnisse der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie), theoretische Modelle der > Psychoanalyse, insbesondere der Ich-Psychologie und Objektbeziehungstheorien (> Objektbeziehungstheorie), sowie der Kreativitätstheorien. In der Arbeit mit Patienten steht weniger der künstlerisch ästhetische Ausdruck im Vordergrund, sondern das direkte Tun. Indem sich innere Spannungen, Regungen über die Berührung und Bewegung mit dem Material ausdrücken, entstehen Gestaltungen, die sichtbar und spürbar werden. Gestaltungen werden zum Helfer, zum Dritten, zum Wechselspiel von psychischen Kräften und Gegenkräften, von regressiver und vor allem ressourcenorientierter Dynamik. Sie können auf dem Hintergrund der therapeutischen Beziehung (> Beziehung, therapeutische) angeschaut, nachvollzogen und so einer Bearbeitung zugänglich gemacht werden. Sowohl der Prozess des Entstehens wie die Form, die Struktur und der damit transportierte Inhalt wird als Ausdruck der psychischen Innenwelt des Patienten anerkannt und verstanden. Der gesamte gestalterische Prozess dient der seelischen > Selbstorganisation und Strukturierung.

Durch die Ergebnisse der > Säuglingsbeobachtung und die neuesten Forschungen auf dem Gebiet der Neurobiologie wird der präverbale Raum, der nicht durch sprachliche Symbolisierung strukturiert ist, sondern durch Engramme früher Beziehungserfahrung, gerade durch eine handlungsorientierte Form wie in der Gestaltungstherapie bedeutsam, da durch die > Regression frühe Erfahrungen erfahrbar und dadurch bearbeitbar werden. In der tiefenpsychologisch fundierten Kunst- und Gestaltungstherapie wird der frühe Einfluss S. Freuds, vor allem aber C. G. Jungs deutlich gesehen. Freud sieht im künstlerischen Tun wichtige Sublimierungsvorgänge (> Sublimierung), die aus dem > Es aufsteigende Triebregungen vom Ich in differenziertes Verhalten umwandeln. Für Jung ist die Auseinandersetzung mit Bildern (> Bild) und kreativen Gestaltungen noch wesentlich zentraler gewesen und er hat sich zeitlebens mit ihrer Bedeutung für die menschliche > Psyche, die > Psychotherapie und die > Individuation beschäftigt. Er sieht das Gestalten als Möglichkeit, den Patienten aktiv werden zu lassen und nicht nur gedanklich, sondern affektiv Kontakt zu unbewussten Bildern aufzunehmen: Das Bewusstsein leiht seine Ausdrucksmittel dem unbewussten Inhalt, mehr darf es aber auch nicht tun, um nicht den unbewussten Bildern eine Richtung zu geben. Auf diese Weise kann durch das Gestalten die transzendente Funktion (> Funktion, transzendente) wirken. Jung beschreibt zwei entgegengesetzte Prinzipien, die diesen Prozess ausmachen: das Prinzip der schöpferischen Gestaltung und das Prinzip des Verstehens (> Verstehen). In zahlreichen Veröffentlichungen werden Jungs Ansätze der therapeutischen Arbeit mit dem Bildnerischen detailliert aufgegriffen und weiterbearbeitet, vor allem von J. Jacobi, R. Daniel, I. Riedel.

Literatur: Biniek, E. (1982): Psychotherapie mit gestalterischen Mitteln; Daniel, R. (1993): Archetypische Signaturen im unbewussten Malprozess; Riedel, I. (1992): Maltherapie; Schottenloher, G. (1989): Kunst- und Gestaltungstherapie; Schrode, H: Klinische Kunst-und Gestaltungstherapie.

Autor: K. Schattmayer