Malen aus dem Unbewussten

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Keyword: Malen aus dem Unbewussten

Links: > A-H-System > Bild > Fantasie > Gestaltungstherapie > Imagination, aktive

Definition: Das Malen aus dem Unbewussten ist eine Form der aktiven Imagination, (> Imagination, aktive) wie C. G. Jung sie an verschiedenen Stellen seines Werks beschrieben hat. In ihr wird versucht, psychische Inhalte zu visualisieren, sie > Bild und > Symbol werden zu lassen. Meist handelt es sich um Inhalte, die sich schwer in Worte fassen lassen. Entweder werden die Bilder wie Träume (> Traum) aufgeschrieben oder aber sie werden mittels Farbe > Farben und formenden Bewegungen, die sehr körperbezogen (> Körper) und impulsgesteuert sind, zum gemalten Bild gestaltet. Dabei versucht der Malende seine Ansprüche an Ästhetik und malerisches Können zurückzunehmen und auf innere Impulse zu hören.

Information: Diese Form des Malens ist eine kreative Möglichkeit (> Kreativität > Schöpferisches) der Begegnung und Auseinandersetzung mit dem Unbewussten (> Unbewusstes), daher sollten die so entstehenden Bilder sorgfältig und mit Hingabe gestaltet werden. Die Schwierigkeiten, denen der Malende während des Gestaltungsprozesses begegnet und mit denen er sich auseinandersetzen muss, sind ein Spiegel der psychischen Schwierigkeiten, denen er in seinem Leben ausgesetzt ist. Er erfährt z. B. wie es um seine Geduld und Ausdauer bestellt ist und mit seiner Fähigkeit, sich auf einen Vorgang mit ungewissem Ausgang einzulassen. Aus der dialektischen Spannung (> Prozess, dialektischer) zwischen dem Ich-Bewusstsein (> Ich/Ich-Bewusstsein) und dem Unbewussten entsteht das Dritte (> Synthese) - das > Bild -, das weder das eine noch das andere ist, sondern die Bipolarität der angenäherten Gegensätze (> Gegensatz) in sich vereint und somit Symbol ist. Dies entspricht der von Jung beschriebenen transzendenten Funktion. (> Funktion, transzendente) Durch den Prozess des Malens wird eine Beziehung zwischen dem Ich-Bewusstsein und dem Unbewussten hergestellt und dadurch die Einseitigkeit (> Polarität) der Bewusstseinshaltung transzendiert. Die primär unanschauliche psychische Dynamik wird substanziell und sie kann somit als ein Gegenüber betrachtet werden. Als mindestens so wesentlich wie das fertige Produkt, wird beim Malen der Prozess seines Entstehens gewertet und entsprechend reflektiert. Das aus dem Unbewussten gemalte Bild wird als eine Aussage des > Selbst betrachtet; es ist ein Spiegel dessen, der es gemalt hat. Therapeutisch wird es behandelt und bearbeitet wie ein Traum oder eine Imagination und nicht nach ästhetischen oder künstlerischen Aspekten beurteilt. Es wird ausdrücklich nicht als > Kunst (> Kunsttherapie) betrachtet. Man könnte es eher als Naturprodukt (> Instinkt) verstehen.

Man kann das Malen in der Therapiestunde einsetzen, z. B. in Situationen starker, nicht verbalisierbarer Spannung, bei unklarer Übertragungs - Gegenübertragungsdynamik (> Übertragung/Gegenübertragung), wenn der Patient sich blockiert fühlt, oder wenn ihn starke Emotionen (> Emotion) und Affekte (> Affekt) bedrängen, für die er kein Ausdrucksmedium findet. Manche Patienten lassen sich auch anregen zu Hause zu malen und z. B. depressive Zustände, (> Depression > Energie > Regression) Leeregefühle, Spannungen und starke Affekte in die Gestaltung umzusetzen. In der Regel tritt eine Entlastung ein (> Katharsis). Werden Serien von Bildern gemalt, kommt ein intensiver psychischer Prozess in Gang. Manche Patienten haben spontanen Zugang zu dieser Methode und beginnen in der Therapie von sich aus zu malen. Andere muss man zu motivieren versuchen. Jedoch eignet sich dieses Ausdrucksmittel nicht für jeden Patienten. Es gibt eine Reihe anderer imaginativer und gestalterischer Möglichkeiten, die in der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) analog zum Malen eingesetzt werden können, wie Tonen (> Tonfeld, Arbeit am), Masken- und Puppengestaltung, > Tanz, > Musik (> Gestaltungstherapie). Sie werden ebenfalls als Aussagen aus der bewusst-unbewussten Ganzheit der Psyche betrachtet.

Literatur: Daniel, R. (1993): Archetypische Signaturen im unbewussten Malprozess; Jacobi, J. (1969): Vom Bilderreich der Seele; Riedel, I. (1992): Maltherapie.

Autor: R. Daniel