Neurose, ekklesiogene

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Keyword: Neurose, ekklesiogen

Links: > Eros-Prinzip > Neurose > Geschlechtsidentität > Gottesbild > Religion > Schatten > Sexualität

Definition: Unter einer ekklesiogenen Neurose (griech. ecclesia: Kirche) wird eine Form der Neurose verstanden, deren Kernproblem überwiegend in der krank machenden religiösen Sozialisation zu suchen ist und die durch lebensfeindliche und versagende Haltungen aufrechterhalten wird. Synonym dazu sprechen manche Autoren auch von der religiösen Neurose (> Religion). Wenn die kirchliche Verkündigung und Seelsorge überwiegend furchterregende Gottesbilder (> Schatten in den Gottesbildern) vermittelt, kann die psychosexuelle (> Psyche > Sexualität > Entwicklungspsychologie > Individuation) Entwicklung sowie die ganze Lebenshaltung derart blockiert werden, dass eine übertriebene Gottesfurcht und die > Angst vor der ewigen Verdammnis viele Lebenskeime erstickt und sich das Krankheitsbild einer ekklesiogenen Neurose entwickelt. Sie zeigt sich in folgender Symptomatik: Pathologische > [[Schuldgefühle (> Urschuld) und pathologische Ängste infolge von furchterregenden Gottesbildern, ferner Beichtzwänge und zwanghaftes sowie magisches Denken (> Bewusstseinsentwicklung: Allgemeine Stadien > Magie) Skrupelhaftigkeit und Kontaktschwierigkeiten. Den Begriff der ekklesiogenen Neurose hat E. Schaetzing (vgl. Schaetzing, 1955) vorgeschlagen. In seiner gynäkologischen Praxis fallen ihm auffällig viele psychosomatische Störungen bei Frauen auf, die sich durch übertriebene moralische Einengungen der sexuellen Hingabe versagen und ihre erotischen Empfindungen verdrängen. Durch Thomas (1971) wird der Begriff in den 60er und 70er Jahren populär. die Psychodynamik lässt sich durch die Konflikte zwischen einem rigiden > Über-Ich und > Ideal-Ich, das durch furchterregende Gottesbilder spürbar verstärkt wird, und auf der anderen Seite durch die Verdrängung der Triebimpulse erklären.

Information: Folgende Schritte in der Behandlung haben sich bewährt: 1. Bewusstmachung und Auseinandersetzung mit den furchterregenden negativen Gottesbildern und Suche nach ganzheitlicher] Spiritualität.

2. Hinterfragung der Moral und der lebensfeindlichen Verbote und die therapeutische Ermutigung, neue Lebensmuster und Verhaltensweisen auszuprobieren.

3. Auseinandersetzung mit den moralisch begründeten Schuldgefühlen und therapeutische Begleitung dabei, die Gefühle anzunehmen und die Triebbedürfnisse verantwortlich zu leben.

4. Analyse der religiösen Zweifel, Skrupel und des zwanghaften Denkens mit Schritten zu einem neuen kritischen Denken.

5. Die christlichen sowie religiösen Glaubensvorstellungen nicht als Widersacher der Seele ansehen, sondern durch eine aufgeklärte Geistigkeit zur Bewusstseinserweiterung verhelfen.

6. Durch die Akzeptanz der Gefühle (> Emotion > Fühlen) und der emotionalen Grundbedürfnisse (> Bedürfnishierarchie > Instinkt) neues Vertrauen in das Leben wachsen lassen.

7. Durch therapeutische Begleitung und Ermutigung neue Hoffnung erwecken und das > [Selbstwertgefühl stärken.

8. Schließlich sei auf die spirituell orientierte Traumtherapie (> Traum) verwiesen, weil die Seele mit ihrer symbolbildenden Funktion (> Funktion, transzendente) auch neue und ganzheitliche Gottesbilder (> Ganzheit > Mandala > Selbst) hervorbringen kann.

Literatur: Drewermann, E. (1989): Kleriker; Hark, H. (1984): Religiöse Neurosen; Krötsch, W. (1976): Zur Frage der ekklesiogenen Neurose; Rudin, J. (Hrsg.) (1964): Neurosen und Religion.

Autor: H. Hark