Logos-Prinzip
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Definition: Logos (griech. logos: Wort, Vernunft, Begriff) bezeichnet den Bereich des Geistigen, des Bewusstseins, des Erkennens (> Erkenntnistheorie) und Verstehens, des Sinnes und der Weisheit. Als weitere Aspekte und Begriffe gehören zu ihm: die Struktur, das Gesetz, die Ordnung, Objektivität, Vernunft, Wahrheit, Unterscheidung, Distanz. Die höchste Einsicht und Erfahrung des Menschen, wird oft als "Erleuchtung" bezeichnet, in der der Mensch sein wahres Wesen in seiner Einheit mit dem Universum erkennt.
Information: In der antiken und mittelalterlichen > Philosophie und Theologie (> Religion) bezeichnete der Logos die göttliche Vernunft, die dem Universum als Ordnungsprinzip zugrunde liegt. Heraklit (6. Jh. v. Chr.) spricht von einem feuerähnlichen Logos, der die Welt regiert und als göttliche Kraft, die im Fluss der Natur wahrnehmbare Ordnung und Struktur formt. Die menschliche Vernunft hat Teil an diesem göttlichen Logos. Für die Stoiker, u. a. Seneca und Marc Aurel, ist der Logos allgegenwärtig und wirkt als göttlicher Geist oder als göttlicher Atem durch Raum und Zeit. Er legt die Weltordnung fest, die die einzelnen Möglichkeits-, Energie- und Wachstumszentren, die "Samenkörner des Logos" (logoi spermatikoi), enthalten. "Gehe, wohin die Vernunft (Logos) dich führt" ist ihr oberstes ethisches Leitprinzip. Ihre vier Kardinaltugenden sind Weisheit, Mut, Gerechtigkeit und Mäßigung, und sie empfehlen, sich nicht von Leidenschaften (> Emotion) wie > Liebe, > Hass, > Angst, Schmerz oder > Freude bestimmen zu lassen. Ihr Ideal ist es, in Übereinstimmung mit der göttlichen Ordnung des Universums zu leben. Im Johannesevangelium wird Jesus Christus mit dem fleischgewordenen Logos gleichgesetzt, wobei die griechische Übersetzung für Logos im deutschen Text "Wort" lautet. So heißt es: "Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort.. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns". (Joh. 1, 1-3. 14) Aus dem Logos leitet sich auch der Begriff Logik ab, die Lehre von den Prinzipien des richtigen, d. h. schlüssigen Denkens und Beweisführens. Besonders hervorzuheben an den antiken Auffassungen vom schöpferischen Logos-Geist ist die Einsicht, dass diese Intelligenz nicht nur in menschlicher Vernunft und Denken zu finden ist, sondern im ganzen Kosmos, in der Natur und seinen Gesetzmäßigkeiten, im Körper und der Seele des Menschen. Das kommt der modernen tiefenpsychologischen und evolutionären Auffassung sehr nahe, nach der das menschliche Bewusstsein nicht von seinen unbewussten biologischen und physiologischen Grundlagen getrennt werden kann, sondern sich in Jahrtausenden allmählich gemeinsam mit ihnen entwickelt hat (> Evolutionäre Psychologie).
Zentrale Symbole des Logos-Prinzip sind: das Licht, die Sonne, des Himmels, das Auge, die Schrift, die Zahlen, Übersicht und Ordnung schaffende Strukturen und Instrumente des Erkennens (Lampe, Brille, Fernrohr, Mikroskop); Tag: die Helle des Tages und des Bewusstseins; Oben und Höhe, Berg und Turm: der distanzierte Abstand von der Welt des Alltäglichen, der die geistige Betrachtung erleichtert; Flügel: die Beweglichkeit und Leichtigkeit des Geistigen; Schwert: die geistige Kraft der Unterscheidung. Typische Personifikationen des Logos sind der alte Weise und die alte Weise ( > Weiser, Alter > Weise, Alte), König und Königin, Wissenschaftler (Faust), Gelehrte und Lehrer, Forscher, Philosophen, Dichter und Schriftsteller.
In der Analytischen Psychologie (> Analytische Psychologie) spielt der Logos im Zusammenhang mit einer Kennzeichnung der männlichen Psychologie und des männlichen Bewusstseins (> Bewusstsein, patriarchales > Männliches und Weibliches Prinzip) und des Animus (> Anima/Animus) eine wichtige Rolle. Er steht dort für die oben genannten Aspekte des Unterscheidens, der > Differenzierung, des Denkens, Erkennens, für ein - im Gegensatz zum Eros-Prinzip der Bezogenheit - sachliches Interesse. C. G. Jung bringt ihn auch mit dem alchemistischen (> Alchemie) Sonnenprinzip (sol) in Verbindung.
Die wesentlichen Schattenseiten des Logos sind seine Neigung zur Vereinfachung und > Reduktion von komplexen Zusammenhängen (> Komplexität) und die Abspaltung (> Abwehr > Abwehrmechanismen) und Abwertung des "Unteren", der Erde und der > Materie (> Bios-Prinzip > Matriarchat > Mutter, Große > Mutterkomplex). Daraus entstehen häufig idealisierte Schemata, Ordnungs-Hierarchien, Moral- und Ethik-Systeme, (> Ethik > Moral) die logisch und theoretisch einleuchtend erscheinen, aber praktisch nicht lebbar sind. Menschen orientieren sich dann an Glaubenssätzen, Dogmen, Modellen und Methoden, die sie in ein geistiges Gefängnis sperren und den natürlichen Zugang zu ihrer Körper-Seelischen-Ganzheit (> Ganzheit) zerstören. Die verschiedenen Religionen und Philosophien (> Religion > Philosophie) legen von der Gewalt, die damit verbunden sein kann, Zeugnis ab. Die Vereinigung des Logos-Prinzip mit der Erde, und des Geistes mit der Materie bildet deshalb eines der großen Ziele der Alchemie wie auch des Individuationsprozesses ((> Individuationsprozess).
Literatur:Müller, L. (1995): Überlegungen zu einer analytisch-integrativen Psychotherapie; Müller, L. (2001): Lebe dein Bestes.
Autor: L. Müller