Identität, personale
Keyword: Identität, personale
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Definition: Obwohl C. G. Jung den Begriff der personalen Identität selten verwendet, spielt er doch im Individuationsprozess eine entscheidende Rolle, denn in ihm geht es vor allem darum, der zu sein bzw. werden, der man vom Wesen her ist, also die persönliche, "wirkliche" Identität in der > Ganzheit des > Selbst zu finden. Damit verbunden ist die Aufgabe, eine Vielzahl von einseitigen oder nicht zur Persönlichkeit passenden Identifizierungen, z. B. mit der Persona, mit kollektiven Werten (> Bewusstsein, kollektives > Kollektiv > Kollektivpsyche) mit Einstellungen, auch mit archetypischen Bildern (> Größenfantasien > Hybris) zu hinterfragen und aufzugeben. Zu einem gesunden Erleben von personaler Identität gehören z. B. das Gefühl von Vitalität, Emotionalität (> Emotion), Eigen-Aktivität, > Autonomie, > Authentizität, sich mit seiner biologischen Geschlechtszugehörigkeit (> Geschlechtsidentität) positiv verbunden zu fühlen, das Gefühl einer relativen Stabilität und Kontinuität im Wechsel des Lebens, der Beziehungen und der Zeiten zu haben, ein gutes > Selbstwertgefühl, ein realistisches, stimmiges Selbstbild zu besitzen, ein Wissen von den eigenen Grenzen und Möglichkeiten zu haben, sowie die Möglichkeit, diese Grenzen auch zu verteidigen oder zu erweitern.
Information: Seine personale Identität im Selbst gefunden zu haben, bedeutet nicht, sich mit bestimmten archetypischen Bildern des Selbst zu identifizieren, sondern sich zum einen als jemand zu erleben, der man wirklich ist in seiner paradoxen, gegensätzlichen und begrenzten Eigenart und zum anderen sich angeschlossen zu fühlen an den schöpferischen, sich fortwährend wandelnden Strom des Lebens innen und außen.
Die Entwicklung des Gefühls einer relativ sicheren personalen Identität hängt in hohem Maße mit dem Erleben positiver Spiegelung (> Spiegeln) unserer Existenz und unseres Wesens durch zentrale Bezugspersonen zusammen. Frühe Abwertungs- und Ablehnungserfahrungen können gravierende negative Auswirkungen auf die weitere Entwicklung der personalen Identität haben. Auch später kann das Erleben personaler Identität durch vielerlei Einflussgrößen gestört werden: durch Ermüdung, Erkrankung, Stress, Überforderung, durch Abwertung, Misserfolg, Kränkungen, traumatische Erfahrungen. die > Selbstpsychologie hat einige Strategien (> Abwehrmechanismen) beschrieben, die angewendet werden, wenn unsere personale Identität angegriffen und verletzt wird, wenn unsere Ich-Kohärenz bedroht ist, z. B.: der Einsatz von Größenfantasien, in denen man sich seine (von anderen nicht wahrgenommene) Besonderheit und Begabung ausfantasiert; die Fantasie von idealen Bezugspersonen, an deren Glanz und Größe man teilhat (> Idealisierung > Identifizierung) ; durch Rache-, Entwertungs- und Zerstörungsfantasien gegenüber der Person, die einen gekränkt hat. Aber auch viele der anderen Abwehrmechanismen können Verwendung finden. Unter großer Belastung kann das Erleben personaler Identität auch dissoziieren (> Dissoziation), fragmentieren, in > Teilpersönlichkeiten zerfallen.
Literatur: Jacoby, M. (1985): Individuation und Narzissmus; Jacoby, M. (1991): Scham-Angst und Selbstwertgefühl; Kast, V. (1990): Die Dynamik der Symbole.
Autor: L. Müller