Mystos-Prinzip in der Psychotherapie

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Keyword: Mystos-Prinzip in der Psychotherapie

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Definition: Das Mystos-Prinzip findet sich in allen Selbsterfahrungsformen und Therapieverfahren, in denen das Grundbedürfnis nach dem Ganzheitlichen, Integrativen (> Integrale Psychologie > Integrative Psychologie/Psychotherapie) dem Schöpferischen, dem Neuen, Faszinierenden, (> Numinoses), der ekstatischen Erfahrung (> Ekstase), der Bewusstseinsveränderung (> Bewusstsein > Bewusstseinszustände, veränderte) und dem Religiösen (> Religion > Transpersonale Psychologie) betont ist. Im Zentrum steht die Herstellung einer Beziehung zum Unbewussten (> Unbewusstes, kollektives), zur inneren Welt der > Imagination und mystischen Schau, die Entwicklung von > Kreativität, > Fantasie, Intuition (> Intuition/Intuitive Funktion] und Spontanität. Bevorzugte Methoden sind Traum-, Symbol - Gestaltungs- und Fantasiearbeit, (> Traum > Malen aus dem Unbewussten) das "Gespräch mit der Seele", künstlerische Gestaltungen, (> Kunst) Körperübungen, (> Körper) > Tanz, Meditation, Rituale (> Ritual/Ritus) und Exerzitien. Aber auch magische und parapsychologische Aspekte (> Alchemie > Hermetik > Magie > Parapsychologie) gehören hierher.

Information: Das Mystos-Prinzip repräsentiert aber nicht nur die Ganzheit, sondern auch das schöpferische Wandlungsprinzip, (> Funktion, transzendente > Wandlung) den schöpferischen Impuls, den unberechenbaren spontanen Faktor X, der dann wirksam wird, wenn die Zeit dafür reif ist. Jede seelische Veränderung - sei es eine erhellende Einsicht, (> Deutung) eine kreative > Vision, die Öffnung einer neuen Gefühlsdimension (Fühlen), die Erinnerung eines Traumas ( >Trauma/Traumatisierung > Erinnern) oder der Impuls zu einer Verhaltensänderung (> Heros-Prinzip) - scheint angewiesen zu sein auf die geheimnisvolle Fähigkeit der > Seele, sich auf den dunklen Pfaden des Unbewussten zu bewegen und heimliche Verbindungen und Beziehungen zu knüpfen, die dann plötzlich und überraschend ins > Bewusstsein (> Bewusstsein, schöpferisches) treten. Insofern ist dieses Prinzip in praktisch allen Selbsterfahrungsmethoden und Therapierichtungen in der einen oder anderen Form latent wirksam.

Die Schattenseiten (> Schatten) der nach dem Mystos-Prinzip orientierten Selbsterfahrung- und Therapieformen liegen andererseits gerade in deren Kreativität und Vielseitigkeit. Die Fülle der farbigen, einfallsreichen und spannenden Methoden könnte dazu verleiten, Therapie als ein unverbindliches Spiel aufzufassen. (> Narr > Trickster > Hermes-Mercurius) Gibt es irgendwo Schwierigkeiten und Widerstände (> Widerstand), hat man schnell eine neue Methode, eine neue Idee bereit, die vielleicht weiterhelfen. Damit kann aber leicht einer anstehenden intensiven, ernstlichen und schmerzhaften > Konfrontation mit sich selbst oder seinen Beziehungen ausgewichen werden. Es könnten auf diese Weise auch notwendige, geduldige Lernschritte (> Lernen) großzügig und in künstlerischer Freiheit übersprungen werden. Wenn durch solche Methoden lediglich ein brillantes, beeindruckendes Feuerwerk inszeniert wird, von dem schließlich nicht mehr bleibt, als eine schöne Erinnerung oder ein sich rasch verflüchtigender Rauch, wäre das weniger problematisch. Schwierig, ja gefährlich werden sie, wenn sie emotionale Ein- und Durchbrüche provozieren, die nicht genügend aufgearbeitet werden können, und die Patienten nach einer solchen Erfahrung mit sich und ihren Emotionen (> Emotion) allein gelassen werden. Das Eintauchen in die Tiefenschichten des Unbewussten kann äußerst faszinierend, aufregend und erneuernd sein, schnell kann aber aus einem Spiel mit dem Unbewussten ein "Horrortrip" werden, wenn man für eine solche Begegnung mit seiner inneren Wirklichkeit nicht genügend und ernsthaft vorbereitet ist und nicht weiß, wie man solche Erfahrungen bearbeiten und integrieren (> [[Desidentifikation > Identifikation > Integration) kann. Wenn Therapeuten dem grandiosen Schatten des Mystos-Prinzip verfallen (> Inflation > Hybris), könnten sie glauben, sie seien alte Weise, (> Weise, Alte > Weiser, Alter) Wunderheiler, (> Heilen/Heilung) Meister und > Magier, sie hätten allheilende Wunderkräfte, eine alles durchschauende Intuition, mit der sie in weitaus kürzerer Zeit und viel effektiver als ihre Kollegen wunderbare Erfolge erzielen. Diesem Schatten kommt natürlich die Hoffnung vieler Menschen, es gäbe die einfache wundersame Lösung für alle Probleme des Lebens sehr entgegen.

Literatur: Müller, L. (1995): Überlegungen zu einer analytisch-integrativen Psychotherapie; Müller, L. (2001): Lebe Dein Bestes.

Autor: L. Müller