Mandalasymbolik

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Keyword: Mandalasymbolik

Links: > Ganzheit > Gottesbild > Hierosgamos > Individuation > Individuationsprozess > Mandalasymbolik > Quaternität > Selbst > Symbol

Definition: Die Häufigkeit mit der Mandalas (> Mandala) überall auf der Welt erscheinen, weist darauf hin, dass ihre Symbolik (> Symbol) und ihre Gestalt der menschlichen > Psyche in hohem Maße entspricht, sowohl ihr Strukturbedürfnis als auch das ästhetische Empfinden befriedigt. Nicht nur religiöse und meditative Bilder, auch philosophische und psychologische Anschauungsmodelle haben oft eine Mandalaform und meist nicht mehr als drei bis fünf Elemente (> Beziehungsquaternio > Quaternität > Pentaolon-System). Das Mandala nimmt sowohl an der Symbolik der geometrischen Grundfiguren Punkt, Linie, Dreieck, Quadrat und Kreis, als auch an der Symbolik der Zahlen (> Zahl) teil. In dieser Symbolik können wesentliche Aspekte der > Individuation gefunden werden. Das Mandala hat meist folgende Grundelemente: einen äußeren Kreis, einen Mittelpunkt (das innere Zentrum) und eine den Mittelpunkt umgebende Vierer-Struktur, die oft als Kreuz oder Quadrat dargestellt wird. Die einfachste Form des Mandalas ist ein Kreuz im Kreis. In den klassischen Mandaladarstellungen wird diese Grundstruktur vielfältig variiert. Viele Mandalas verwenden weitere Unterteilungen, die meist ein Vielfaches der Zahlen zwei und drei sind, also sechs, acht, zwölf und sechzehn. Die ersten sechs Zahlen einschließlich der Null und die ihnen zugeordneten Grundformen erscheinen aber von ihrer symbolischen Bedeutung her als die wichtigsten:

Information: Null: Die Kreisform des Mandala, der sich die Zahl Null zuordnen lässt, lässt sich zum einen als uranfängliche, latente, nicht-duale Ganzheit, als das schöpferische > Mysterium des Seins, bevor es ins Sein getreten ist, verstehen. Zum anderen kann der Kreis - insbesondere wenn mehr von seinem unsichtbaren Mittelpunkt als der latenten Ursprungseinheit ausgegangen wird - als der im Leben verwirklichbare und verwirklichte Teil der Ursprungseinheit und -ganzheit angesehen werden. Damit ergibt sich eine paradoxe Doppeldeutigkeit, die im Wesen der Symbole und der > Einheitswirklichkeit liegt. Die letzte Wirklichkeitsdimension ist so komplex (> Komplexität) und unserem > Bewusstsein paradox erscheinend, dass kein Bild, kein Wort, kein Ausdruck gefunden werden kann, um sie zu bezeichnen. Die entsprechenden Symbole des Menschen sind deshalb abstrakt, unanschaulich, in gewisser Weise zugleich die einfachsten: der Kreis, die Leere, die zugleich die Fülle ist, das Nichts, das zugleich Alles ist, die Einheit ohne Zweiheit, das Sein, der Kosmos, die reine Energie, der Geist, das höchste Bewusstsein.

Eins: Die Eins ist im Mandala als Mittelpunkt dargestellt und symbolisiert dem Wesen nach das gleiche wie die Null: die unaussprechliche Einheit und Ganzheit all dessen, was ist. Die Eins bezeichnet auch den Anfang einer Sache, den ersten Schritt ins Dasein, die > Initiation. Sie verkörpert damit das aktive Prinzip im Vergleich zur Null, die mehr das passive Prinzip darstellt. So gesehen bezeichnet sie die erste Bewegung des schöpferischen Mysteriums, (> Kreativität > Mystos-Prinzip > Schöpferisches) das sich nun zu manifestieren beginnt. Die unoffenbare Ursprungseinheit lässt sich somit durch die Zahl Null symbolisieren, die sich offenbarende, manifestierende Ursprungseinheit mit der Zahl Eins. (> Ganzheit > Monismus > Uroboros)

Zwei: Wie bei Null und Eins zu sehen ist, ist es fast unmöglich, nicht in ein polares Denken zu verfallen, wenn etwas bewusst gemacht werden soll. Sobald die Ursprungseinheit in Erscheinung tritt, manifestiert sie sich zugleich in Polaritäten (> Polarität). Alles Existierende vollzieht sich in der Spannung und im Wechsel polarer Aspekte. Ohne Polarisierung gibt es keine Orientierung in unserer Welt. (> Coniunctio/Mysterium Coniunctionis > Dualität > Gegensatz > Weltelterntrennung)

Drei: Die Dreizahl findet in Mandalasymboliken meist in doppelter Hinsicht Verwendung. Oft symbolisiert sie die Vereinigung der Polaritäten in einem dritten Punkt nach dem Muster: These, Antithese, Synthese oder Mutter, Vater, Kind (> Coniunctio/Mysterium Coniunctionis > Eltern > Synthese > Triade). Dieser Bedeutungsaspekt findet sich auch in der Kreuzsymbolik, wenn die beiden Balken als zwei sich durchdringende und vereinigende Polaritäten angesehen werden. Das Erreichen dieser Synthese ist aber häufig sehr schwierig und mit vielfältigen Leiden und Spannungen verbunden. In der Kreuzsymbolik des Christentums wurde insbesondere diese Konflikthaftigkeit dargestellt, die durch eine fast unüberwindliche Spannung zwischen dem Guten und Bösen, dem Geistigen und dem Triebhaften, dem Göttlichen und dem Menschlichen gekennzeichnet ist. Sehr häufig werden aber auch Aspekte und Entwicklungsstufen in einer Dreierfolge aufgezählt: Anfang, Mitte, Ende; Vergangenheit, Gegenwart, Zukunft oder Unterwelt, Erde und Himmel. Insgesamt ist die Drei eine aktive, dynamische Zahl, die vor dem Hintergrund polarer Spannung auf ein bestimmtes, vereinigendes Ziel hindeutet und hindrängt.

Vier: Ein weiteres grundlegendes Element der Mandalasymbolik ist die Vierzahl und damit verbunden das Quadrat (> Quaternität). Die Vier ist im Vergleich mit der Drei nicht so dynamisch, dafür kompletter. Man könnte in ihr eine Ausdifferenzierung der, in der Drei angestrebten, Vereinigung der Polaritäten sehen. Sie ist eine Art "Quadratur des Kreises": das, was im Kreis latent als Möglichkeit der Entfaltung verborgen ist, findet im Quadrat seine konkrete Verwirklichung und Bewusstwerdung.

Fünf: Die vier Elemente, die sich im Quadrat polar gegenüberstehen, finden ihre > Synthese - je nach Blickwinkel - im äußeren Kreis oder im Mittelpunkt. Der Ursprung und das Ziel fallen in eins. Das schöpferische Mysterium ist ständig vorhanden, am Anfang, in der Mitte, am Ende und immer und zu jeder Zeit dazwischen. Das fünfte Element bezeichnet damit die Summe, die > Ganzheit, die Quintessenz, das alle vier Aspekte integrierende, transzendierende, nonduale Eine. Es ist die Achse, um die sich alles dreht. Es offenbart sich in unendlich vielen Aspekten, ohne darin jemals vollständig aufzugehen. Es bleiben immer noch unendliche, nicht vorhersehbare Möglichkeiten (Mutationen, Quantensprünge). In die Mitte des Mandala als fünftem Punkt werden in der Tradition häufig Symbole des höchsten Wertes eingefügt: z. B. ein Diamant, eine goldene Blüte, eine Gottheit wie z. B. Jesus, Buddha (> Gottesbild), eine mythologische Gestalt wie z. B. > Hermes-Mercurius, das göttliche Kind (> Kind, Göttliches) oder das sich vereinigende göttliche Paar (> Hierosgamos > Syzygie).

Literatur: Brauen, M. (1992): Das Mandala: der heilige Kreis im tantrischen Buddhismus; Müller, L. (2001): Lebe dein Bestes; Riedel, I. (2002): Formen: tiefenpsychologische Deutung von Kreis, Kreuz, Dreieck, Quadrat, Spirale und Mandala.

Autor: L. Müller