A-H-System

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Keyword: A-bis-H-System

Links: > Ganzheit > Integrale Psychologie > Integrative Psychologie/Psychotherapie > Intervention

Definition: Das A-bis-H-System wurde aus didaktischen Gründen entwickelt und fasst die verschiedenen integrativen Methoden (> Integrative Psychologie/Psychotherapie und therapeutischen > Interventionen der Analytischen Psychologie in einem Gliederungsschema von A bis H zusammen. Es bezieht sich insbesondere auf die therapeutische Arbeit mit unbewussten Ausdrucksformen, Symptomen > Konflikten und> Symbolen, lässt sich aber auf jedes therapeutisch relevante Ereignis anwenden.

Information: In seinem Aufbau folgt es zwar der Regel „Erleben vor Deuten“, ist aber nicht in dem Sinne zu verstehen, dass im Einzelfall alle Methoden in der vorgegebenen Reihenfolge abzuarbeiten seien. In der Praxis wird mit derjenigen therapeutischen > Intervention gearbeitet, die sich für die Thematik, die Persönlichkeitsstruktur und die aktuelle Beziehungssituation am besten eignet.

A = Aktualisieren: Aktualisieren bezeichnet die aktuelle emotionale Vergegenwärtigung einer relevanten Thematik. Hierbei geht es darum, die spezielle Thematik, das relevante therapeutische Ereignis, z. B. ein Thema, ein Konflikt, Symbol, in seiner gegenwärtigen Wirkung so intensiv und emotional wie möglich wahrzunehmen und zu erleben. Dazu soll ein freier geistiger Spielraum (geschützter Rahmen) ( > Setting > Temenos > Vas hermeticum) geschaffen und eine Form der therapeutischen Beziehung gefunden werden ( > Akzeptanz > Empathie), in der sich der Patient ermutigt fühlt, alles zu äußern, was ihn bewegt. Das Ereignis soll in den Brennpunkt des Interesses und in die Gegenwart gebracht werden, z. B. indem von ihm in der Gegenwartsform erzählt wird und indem klärend nachgefragt wird. Alle > Orientierungs-Funktionen (> Empfindung > Fühlen > Denken > Intuieren, Fantasieren) können angesprochen werden. Insbesondere der emotionale Hintergrund soll dabei erfasst werden. Das kann z. B. mittels einfühlendem > Identifizieren (in das Symbol einfühlend hineingehen und aus ihm heraus fühlen, denken, wahrnehmen und fantasieren) oder in einem Zwiegespräch mit dem Symbol stattfinden. Diese Methoden gehen oft nahtlos in eine der anderen gestalterischen Methoden (siehe C = Creieren) über, insbesondere auch in die Aktive Imagination (> Imagination, aktive).

B = Betrachten: Darunter wird ein geistiges Umkreisen des Symbols verstanden, durch das das Thema assoziativ vertieft (aber noch nicht gedeutet) wird. Vorgehensweisen hierbei sind beispielsweise die > Assoziation, die > Amplifikation, das > Focusing, die > Kontemplation, die > Meditation.

C = Creieren: Das Thema wird auf unterschiedliche Weise schöpferisch gestaltet (> Gestaltungstherapie > Kreativitität) und inszeniert (> Inszenierung. Dies kann geschehen durch Zeichnen und Malen (> Malen aus dem Unbewussten, Tonen, Schreiben, Körperbewegung (> Körpersprache > Körperpsychotherapie, Tanzen (> Tanz > Tanztherapie), Musizieren (> Musik > [Musiktherapie, Fantasieren und Imaginieren (> Imagination, > Visualisatierung, > Psychodrama, Puppen- und > Sandspiel, > Ritual > Ritualisieren). Wichtig ist, dass das Thema dabei emotional lebendig wird und seine eigene unbewusste Dynamik entfalten kann, somit asich uch in eine Richtung entwickelt, die sich vornherein gar icht vermuten lässt.

D = Deutung: Zur ganzheitlichen Erfassung einer zu bearbeitenden Thematik gehört auch die rationale Annäherung, das Deuten und Verstehen. Hierbei muss der > Komplexität, > Polarität, > Paradoxität, > Ganzheit und Konstrukthaftigkeit (> Konstruktivismus), dem Primat der Psyche aller psychischen Vorgänge Rechnung getragen werden.

Bei jeder Deutung ist der Kontext des zu deutenden Ereignisses zu berücksichtigen, vor allem die möglichen aktuellen Auslöser, der aktuelle Lebensbezug sowie der psychogenetische (> Psychogenese und psychodynamische (> Psychodynamik Zusammenhang. Darüber hinaus ist die Frage nach der finalen (> Finalität) und der kompensatorischen Funktion (> Kompensation) des Ereignisses zu stellen. Deutungsangebote der/des Therapeutin/en werden immer in hypothetischer Frageform formuliert und im suchenden Dialog zusammen mit den Klienten auf Stimmigkeit überprüft. Unbewusstse Ausdrucksformen sind immer komplexer und vielschichtiger als es vom Bewusstsein zu erfassen ist.

E = Eigenanteile (entspricht der > Subjektstufe/Subjektperspektive): Das zu bearbeitende Thema wird unter der Perspektive der Persönlichkeitsaspekte ( > Persönlichkeit > Ich > Ich-Komplex > Persona > Schatten > Selbst), der psychischen Struktur, der typologischen Eigenschaften (> Typologie), eigener Wünsche, Bedürfnisse, innere > Konflikte, > Ressourcen und des kreativen Potenzials (> Kreativität) betrachtet.

F = Fremdanteile: Dieser Aspekt beschäftigt sich mit den typischen Konflikten und Fragen der Bedeutung des Themas hinsichtlich der > Objektperspektive und der > Beziehungsperspektive.

G = Globalanteile: Dieser Aspekt fragt nach den aktuellen gesellschaftlichen Bezügen wie auch nach den allgemeinmenschlichen, archetypischen (> Archetyp und existenziellen Facetten eines Themas, also nach Bezügen zur Außen- und Umwelt, der Gesellschaft und Kultur, wie auch zu den großen Themen der Menschheit > Individuation und Sinnfindung (> Sinn), zur Selbst-Verantwortung und Freiheit, zum Problem des Todes, zur Beziehung, Einsamkeit und Isolierung, zum Religiösen und Transpersonalen (> Spiritualität > Transpersonale Psychologie.

H = Handeln: Der Sinn und die Bedeutung eines Ereignisses erschließen sich oft erst wirklich dann, wenn sie über die Aspekte A bis G hinaus auch im Alltag und in der Beziehung zu anderen Menschen gelebt und erfahren werden. Immer wird in der therapeutischen Arbeit deshalb auch der Frage nachzugehen sein, wie die erarbeiteten Einsichten im praktischen Leben integriert (> Integration) werden, und was die kleinsten gangbaren Schritte sind.

Literatur: Müller, L., Knoll, D. (1998): Ins Innere der Dinge schauen. Müller, A., Müller L. (2018): Praxis der Analytischen Psychologie. Ein Handbuch für eine integrative Psychotherapie.

Autor: L. Müller