Kinderpsychotherapie, analytische: Praxis: Unterschied zwischen den Versionen

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Aktuelle Version vom 20. Juli 2024, 12:02 Uhr

Keyword: Kinderpsychotherapie, analytische: Praxis

Links: > Bindung > Container/Contained > Eltern > Entwicklungspsychologie > Familie > Kindarchetyp > Kinderpsychotherapie, analytische: Theorie > Kindheit/Kindheitsphasen > Säuglingsbeobachtung > Säuglingsforschung

Definition: Die Analytische Kinderpsychotherapie ist indiziert bei verschiedenen psychischen bzw. psychosomatischen Erkrankungen (> Neurose > Psychosomatik > Psychose) von Kindern. Die psychische Entwicklung des Kindes verläuft - bei allen individuellen Unterschieden - in Schritten, die altersentsprechend erfolgen oder erfolgen sollten (> Entwicklungspsychologie). Gelingen diese nicht, ergeben sich innerpsychische und interpersonelle Konflikte (> Konflikt), die zu in einer neurotischen Symptomatik führen können. Der Konflikt zwischen progressiven (> Progression) und regressiven (> Regression) Tendenzen ist in der Regel deutlich zu erkennen. Für die Eltern bzw. die Umwelt ist die Symptomatik ein Signal, das darauf hinweist, den psychischen Notstand des Kindes zu erkennen und aufzuarbeiten. Zur Kinderpsychotherapie gehört die Abklärung der Notwendigkeit. Diese erfolgt in den probatorischen Stunden - einerseits im Gespräch mit den Eltern, andererseits durch die ersten Kontakte mit dem Kind. Aus der Anamnese (> Psychogenese) mit den Eltern und ihrer Schilderung der Beziehung zu ihrem Kind sowie aus den symbolischen Gestaltungen des Kindes in den projektiven Tests sind Hinweise auf die Konfliktsituationen (> Psychodynamik) zu erkennen. Eine vorläufige Diagnose (> Diagnostik) kann gestellt werden. In einzelnen Fällen kann auch ein objektiver Test (Intelligenztest) erforderlich sein, um etwa schulische Überforderung festzustellen. In der Prognose (> Set) werden dann die progressiven und kreativen Möglichkeiten des Kindes, die sich ebenfalls in den ersten Kontakten und in den Tests (> Testverfahren) zeigen, beschrieben.

Information: Entscheidend für die Kinderpsychotherapie ist nicht eine Technik, sondern die Beziehung zwischen Kind und Therapeut (> Beziehung, therapeutische). Diese Beziehung ist eine einerseits eine reale menschliche Beziehung zwischen einem Kind und einem Erwachsenen, in der Vertrauen und Gefühle der Zuneigung, aber auch Ärger und Wut ihren Platz haben. In dieser Beziehung wird der Therapeut auch immer wieder zum Identifikationsobjekt (> Identifikation). Bei aller Nähe ist die Distanz ein wichtiger Faktor der Beziehung. Sie ist die Voraussetzung dafür, dass sich das Kind vom Therapeuten abgrenzen und sich seiner eigenen > Individualität und Identität (> Identität, personale) bewusster werden kann. Die Beziehung zwischen Kind und Therapeut ist andererseits durch Übertragungs/Gegenübertragungvorgänge (> Übertragung/Gegenübertragung) beeinflusst. In der Übertragung des Kindes gegenüber dem Therapeuten finden sich persönliche Inhalte, die darauf zurückgehen, wie das Kind seine Eltern und andere Bezugspersonen erlebt hat bzw. erlebt. Zum anderen finden sich kollektive oder archetypische Inhalte. Damit sind Ur-Erfahrungen oder Ur-Bilder der Menschheit (> Archetyp > Kollektiv, > Unbewusstes, kollektives) gemeint, die sich in den einzelnen Bildern der guten oder bösen Mutter (> Mutterarchetyp), des guten oder bösen Vaters (> Vaterarchetyp), des Arztes und Heilers, des Lehrers usw. zeigen. Entsprechend ist auch die Gegenübertragung des Therapeuten, die durch das Kind ausgelöst wird, von seinem eigenen Erleben als Kind bzw. mit Kindern und von archetypischen Bildern des Kindes (> Kindarchetyp, > Kind, Göttliches) bestimmt. Aufgabe des Therapeuten ist, Übertragung und Gegenübertragung immer wieder zu reflektieren und zu relativieren. Die therapeutische Haltung gegenüber dem Kind ist einerseits aufnehmend und einfühlend (> Container/Contained > Empathie). Andererseits spielt er mit (> Spiel) und fantasiert mit - was dann oft zur Übertragung des Freundes bzw. Freundin führt. Dabei verhält er sich eher abwartend und nicht vorgreifend. Mit Deutungen (> Deutung) geht er eher sparsam um und äußert diese eher in Frageform oder als Vermutung. Sein Blick richtet sich auch auf die progressiven (> Finalität) und kreativen Möglichkeiten (> Kreativität) des Kindes. Im geschützten therapeutischen Raum kann das Kind seine Konflikte im Spiel, in der > Fantasie und im > Symbol darstellen und selbst Lösungen finden. Es braucht den Begleiter, der ihm diesen Raum lässt, aber auch Grenzen zu setzen vermag.

Auch in der Therapie sind - wie im Leben und Zusammenleben - Spielregeln (> Setting) notwendig, die das Kind allerdings auch immer wieder übertreten wird. Solche Spielregeln betreffen z. B. den zeitlichen Rahmen der Therapiestunden, die Verwendung von Wasser oder Feuer im Raum, und vor allem destruktive Verhaltensweisen. Aggressive Äußerungen in verbaler und symbolischer Form werden vom Therapeuten nicht eingeschränkt, da sie in der Regel mit der notwendigen Ich- und Autonomieentwicklung verbunden sind und der Abgrenzung (> Aggression) zwischen Kind und Therapeut oder der Ablösung dienen. Analytische Kinderpsychotherapie ist eine "individuelle Behandlung". Dennoch gibt es erkennbare einzelne Phasen (Eschenbach 1978).

Die Initialphase ist gekennzeichnet vom Kennenlernen und Entstehen einer Vertrauensbeziehung zwischen Kind und Therapeut, sowie auch von der Darstellung der unbewussten oder teils bewussten Konflikte im Spiel und Symbol.

Auch die Abschlussphase ist ebenso deutlich erkennbar an der Abgrenzung zwischen Kind und Therapeut, an der Ablösung des Kindes vom Therapeuten und umgekehrt, sowie an den Individuationsschritten (> Individuation) des Kindes.

Dazwischen liegen regressive und progressive Phasen (> Libido) oft nahe beieinander. In den regressiven Phasen geht das Kind nicht nur zu früheren Verhaltensweisen zurück, sondern erschließt sich den ursprünglichen und gesunden Bereich der Seele.

Literatur: Aichele, K., Volk, G. (1992): Kinder in Psychotherapie; Broche. G. (1987): Kindertherapie aus der Sicht der Jungschen Tiefenpsychologie; Eschenbach, U. (Hrsg.) (1978): Das Symbol im therapeutischen Prozess bei Kindern und Jugendlichen; Fordham, M. (1948): Vom Seelenleben des Kindes; Fordham, M. (1974): Das Kind als Individuum; Neumann, E. (1963): Das Kind.

Autor: K. Aichele / W. Gekeler